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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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Mein jüngster Bruder ist am 22. September 1945 im Lager geboren.<br />

Der Arzt wurde nachts gerufen. Er soll aber gesagt haben: ‚Für NSBer<br />

komme ich nicht aus dem Bett.‘ Mein Vater hat nie gewusst, dass sein<br />

drittes Kind geboren war und ob es ein Junge oder ein Mädchen war.<br />

Er saß zehn Kilometer weiter im Lager. Er war zuckerkrank und war<br />

zudem herzkrank. Es ist einem gewissen Pater Heine zu verdanken,<br />

dass mein Vater nicht im Internierungslager gestorben ist. Es ging ihm<br />

immer schlechter. Am Tag vor Weihnachten, dem 24. Dezember<br />

1945, wurde er entlassen. Er konnte jedoch nicht mehr zurück zu seinem<br />

Haus in Grootegast, das Haus und der Hausrat waren beschlagnahmt.<br />

Dann ist er auf den Gleisen nach Opende gelaufen, denn er<br />

hoffte, dort seine Frau und Kinder sehen zu können. Aber er durfte<br />

nicht in die Wilhelminahoeve rein und ist darum nach Nuis zurückgelaufen.<br />

Dort ist er vor dem Tor zusammengebrochen. Er ist damals<br />

<strong>von</strong> zwei Bewachern zum Akademischen Krankenhaus in Groningen<br />

gebracht worden.<br />

Die Bewacher hielten unterwegs bei einer Kneipe in Hoogkerk an und<br />

besuchten auch noch einige Verwandte in Groningen. All diese Zeit<br />

lag Vater jedoch in diesem Wagen in der Kälte. Nach meinem Dafürhalten<br />

haben sie meinen Vater dann im Krankenhaus nicht nur die erforderliche<br />

medizinische Pflege vorenthalten, sondern auch Essen und<br />

Trinken.<br />

Erst viele Jahre später habe ich herausgefunden, dass die Ankunft<br />

meines Vaters in diesem Krankenhaus noch einem zweiten Opfer das<br />

Leben gekostet hat. Am gleichen Weihnachtsabend wurde nämlich<br />

noch ein Mann aus Nuis reingebracht. Er war auch Diabetiker. Ich<br />

hörte erst viel später <strong>von</strong> seiner Frau, dass das Krankenhauspersonal<br />

dachte, dass ihr Mann dieser NSBer aus Grootegast war. Ihr Mann<br />

hatte den ganzen Mittag nichts zu essen und zu trinken bekommen<br />

und musste auf dem Flur liegen. Sie hat das nicht verstanden und hat<br />

nachgefragt, was eigentlich los war. Dann wurde klar, dass es sich um<br />

eine Verwechselung handelte. Dieser Mann aus Nuis ist dann zur Notaufnahme<br />

überführt worden, aber am 24. Januar 1945 doch noch verstorben,<br />

nachdem es erst danach ausgesehen hatte, dass es ihm wieder<br />

besser gehe.<br />

Mein Vater lag erst in einem Saal und ist später in den Flur gebracht<br />

worden und noch später in ein Badezimmer. Zwei Tage danach war er<br />

tot. Ich weiß nicht, ob er wirklich eines natürlichen Todes gestorben<br />

ist. Das war nicht auf der Sterbeurkunde vermerkt.

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