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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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ausbruch passieren könnte. Wenn mein Vater an mir vorbeilief, dann<br />

kroch ich im Voraus schon in mich hinein. Wenn mein Vater mich<br />

bat, im Keller zu helfen, dann dachte ich: ‚Wird er mich nicht umbringen?‘<br />

Ja, so schlimm habe ich diese Bedrohung verspürt. Meine Eltern<br />

waren ganz hart und es wurde unheimlich hart zugeschlagen.<br />

Das Problem war, dass wir <strong>von</strong> unseren Eltern auch lernten, dass die<br />

Außenwelt gefährlich ist. Das hatten sie selbst natürlich so erfahren.<br />

Es war so etwas wie: ‚Die Außenwelt ist schlecht und bei uns ist es<br />

gut.‘ Aber die Innenwelt fühlte sich für uns gar nicht sicher an, es war<br />

in unserer Familie nicht sicher. Die Folge war, dass ich überall Bedrohungen<br />

verspürte. Ich ging nicht ohne Angst auf die Straße, ich wollte<br />

nicht einfach so im Dunkeln Fahrrad fahren. Ich hatte auch tagsüber<br />

das Gefühl, dass sich jeder einfach so ohne weiteres gegen mich kehren<br />

konnte, mich verfolgen konnte, mich einsperren konnte. Ständig<br />

lebte ich unter dieser Drohung. Für mich hatte alles mit dem Krieg zu<br />

tun. Wenn ich krank war, und ich war eigentlich ständig krank, dann<br />

war mein erster Gedanke: ‚Sei froh, dass du nicht in einem Konzentrationslager<br />

sitzt.‘ Ich habe eine Zeit lang eine Nahrungsmittelallergie<br />

gehabt. Damals war das erste, was ich dachte: ‚Wie soll ich mit einer<br />

Nahrungsmittelallergie überleben, wenn ich in ein Lager kommen<br />

sollte?‘ Ich lebte immer mit dem Gedanken, dass jeden Augenblick<br />

ein Krieg ausbrechen könnte. Als Kind sollte man eigentlich unbefangen<br />

und fröhlich sein, aber diese Unbefangenheit und Fröhlichkeit hat<br />

es für mich nie gegeben.<br />

Erst wurde ich sozusagen <strong>von</strong> meinen Eltern strapaziert. Als ich mit<br />

dem Studium anfing und aus dem Haus ging, habe ich das dann selbst<br />

übernommen und mich selbst überfordert. Ich stellte viel zu hohe Ansprüche<br />

an mich. Ich studierte, ich hatte einen Wochenendjob. Meine<br />

Gesundheit war nicht immer die beste, aber ich machte einfach weiter.<br />

Dieser Stress, ständig sich getrieben zu fühlen, diese ständige Angst!<br />

Damals konnte ich nie, wenn ich irgendwelche Probleme hatte, bei<br />

meinen Eltern anklopfen. Später hatte ich dann Freunde, aber ich habe<br />

mich immer knallhart gegeben. Ich hatte zu Hause nicht gelernt, dass<br />

man sich auch mal verletzlich zeigen kann. Es ist in mir nicht in den<br />

Sinn gekommen, dass jemand auch Mitleid mit mir haben und sogar<br />

an mir interessiert sein könnte. All das war mir natürlich auch in<br />

Fleisch und Blut übergegangen. Meine Schwestern haben die ständige<br />

Bedrohung viel weniger verspürt. Aber es ist eine Tatsache, dass<br />

meine Schwestern <strong>von</strong> meinen Eltern vorgezogen wurden, sie beka-

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