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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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und dachte dann, dass sie wieder im Lager sei. Sie wurde ganz ängstlich<br />

und nervös. Sie hatte in der Lagerzeit ihren Mann verloren. Das<br />

war schon ganz schlimm, aber sie war damals erwachsen, und als Erwachsener<br />

verfügt man doch über gewisse Möglichkeiten, sich zu<br />

wehren. Aber meine Eltern sind als Kind beschädigt und vollkommen<br />

kaputtgemacht worden; sie zeigen ein gestörtes Verhalten.<br />

Ich merke jetzt auch, dass ich mit meinen Eltern konkurrieren muss.<br />

Es gibt eine Leidenshierarchie zwischen ihrer Trauer und meiner<br />

Trauer.<br />

Meine Eltern sagen: ‚Du hast doch rein gar nichts erlebt, hab' dich<br />

nicht so. Wir haben es wirklich schlimm gehabt, belästige uns nicht<br />

damit.‘ Das ist ganz schwer zu ertragen, denn ich bin traurig, sowohl<br />

um sie als auch um mich selbst. Und das kann nicht zusammengehen.<br />

Als ich zum ersten Mal zu einem Psychiater ging, war es eigentlich<br />

das allererste Mal, dass ich mich jemandem gegenüber verletzlich<br />

zeigte, bis auf meinen Mann. Das erste Jahr ging mein Mann als eine<br />

Art Schutz mit zum Psychiater. Ich war schon früher zu Gesprächsrunden<br />

<strong>von</strong> Herkenning* gewesen, aber irgendwann habe ich doch die<br />

Hilfe dieses Psychiaters gesucht, weil ich immer kränker wurde. Ich<br />

habe diese Verbindung mit der Vergangenheit anfänglich selbst gar<br />

nicht gelegt. Ich war immer mit dem Überleben beschäftigt. Ganz<br />

lange habe ich nicht einsehen wollen, dass ich eigentlich <strong>von</strong> allen<br />

Seiten her ‚kaputt‘ war. Man geht bei so einem Psychiater einen Prozess<br />

<strong>von</strong> Selbsterforschung ein. Das ist unheimlich schwierig und<br />

grausam. Denn ich hatte sozusagen eine Mauer aus Sicherheiten um<br />

mich herum gebaut, eigentlich schon eine Leistung. In so einem Prozess<br />

der Selbsterforschung merkt man dann erst, wie kaputt man ist,<br />

dass <strong>von</strong> einem nichts übrig ist. Man sieht sich selbst dann durch die<br />

Augen <strong>von</strong> anderen. Ich habe das gelegentlich ganz schwer gefunden.<br />

Es ist ganz schwer, auf eine normale Art und Weise auf die Wirklichkeit<br />

zu schauen. Ich hatte immer Probleme, ich selbst zu sein, und die<br />

Neigung, mich ganz auf die andere Person abzustimmen. Und zwar<br />

indem ich mich erst fragte, wie sich diese Person fühlte oder ob sie<br />

mir vielleicht böse sein könnte, wie ich mich verhalten sollte und was<br />

ich sagen sollte. Dann läuft man natürlich ständig auf Eiern.<br />

Ich wollte perfekt sein und ich wollte anderen zeigen, wie nett ich bin,<br />

wie angepasst und wie freundlich ich bin. Ich wollte sozusagen immer<br />

mir selbst und anderen beweisen, wie gut ich bin. Ständig musste ich<br />

aufpassen, dass die anderen mich nicht wirklich kennenlernten, denn<br />

dann könnte ich mich verraten. Ich musste ständig alles unter Kon-

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