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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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bekam viel schlechtere Noten, als sie verdiente. Das hat meine Mutter<br />

tief verletzt. Als sie nach dem Dolle Dinsdag in Groningen war, ist sie<br />

dort auch eine Weile zur Schule gegangen. Dort haben die Lehrer sie<br />

geradezu schützen wollen, da sind sie ganz integer mit dieser Angelegenheit<br />

umgegangen.<br />

Mein Vater musste nach der Schule immer dafür sorgen, dass er<br />

schnell wegkam, um nicht <strong>von</strong> Klassenkameraden zusammengeschlagen<br />

zu werden. Von meinem Vater weiß ich nicht, wie die Lehrer ihn<br />

behandelt haben. Ich denke, dass er vielleicht etwas mehr geschont<br />

wurde, weil er der Sohn einer bekannten Familie war. Mein Vater hat,<br />

als er achtzehn war, bis zu dreimal versucht, sich bei der SS anzumelden.<br />

Er hatte inzwischen einen riesengroßen Hass auf die Niederländer.<br />

Gerade in NSB-Kreisen hat man ständig versucht, ihn da<strong>von</strong> abzuhalten,<br />

sich dort anzumelden. Denn die NSBer waren sicherlich<br />

nicht alle auf der Seite der Deutschen. Viele NSBer wollten nur eine<br />

starke Partei den Deutschen gegenüber bilden, um nicht ganz im großen<br />

deutschen Reich zu verschwinden.<br />

Meine Eltern wissen ganz gut, wie die Vergangenheit ihr Leben zerstört<br />

hat. Insofern haben sie dann eben die Neigung zu denken: ‚Hätten<br />

sich unsere Eltern bloß nicht bei der NSB angemeldet.‘ Aber ich<br />

habe nie etwas <strong>von</strong> Reue bei meinen Eltern gesehen. Sie sagen: ‚Wir<br />

haben es falsch eingeschätzt, wir haben nicht alles gewusst.‘ Aber ich<br />

habe nie gemerkt, dass sie das ganz schlimm fanden.<br />

Ich habe zwei Schwestern und bin die Mittlere der drei Kinder. Ich<br />

finde es sehr schwierig, dass meine Schwestern nicht über die Vergangenheit<br />

nachdenken wollen. Ich finde, dass auch sie Stellung beziehen<br />

müssen, es war doch einfach eine falsche Wahl! Aber meine<br />

Schwestern wollen darüber nicht reden.<br />

Ich bin in Alphen aan den Rijn aufgewachsen. Meine Eltern haben<br />

dort ein neues Leben aufgebaut und fast niemand wusste dort etwas<br />

<strong>von</strong> unserem Hintergrund. Ich habe darüber später auch nie mit<br />

Freunden gesprochen. Als ich meinen Mann damals kennenlernte,<br />

wurde ich seiner Familie vorgestellt. Mein Mann hat dann auch erzählt,<br />

dass ich einen NSB-Hintergrund hätte. Vor allem mein Schwiegervater<br />

fand das am Anfang recht schwer, das zu verdauen, aber das<br />

hat er mir niemals gezeigt. Es ist dort absolut etwas, worüber man<br />

sprechen kann. Aber wenn ich mich dann wieder einmal mit der Vergangenheit<br />

beschäftige, zum Beispiel ein Buch über die NSB lese,<br />

dann habe ich das Gefühl, dass auf meiner Stirn zu lesen ist: ‚Ich bin<br />

auch so eine.‘

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