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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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dem NSKK* war. Und bei seiner Familie sind wir eingezogen. Wir<br />

gingen damals schon nicht mehr zur Schule.<br />

Als 1944 der Dolle Dinsdag* kam, hatte ich einen Bruder, der an der<br />

Ostfront war, und meine ältere Schwester war damals schon mit dem<br />

niederländischen Roten Kreuz mitgegangen.<br />

Am Dolle Dinsdag verließen wir Buurse mit einem alten Bus der OT,<br />

der Organisation Todt*. Mein Bruder saß auf dem Kotflügel, um auf<br />

die Tiefflieger zu achten. Die englischen Flugzeuge flogen oft tief<br />

über den Straßen hinweg. Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder und<br />

ich machten uns auf den Weg zur Lüneburger Heide. Und dort sind<br />

wir in ein schönes kleines Dorf gekommen mit dem Namen Kirchweyhe.<br />

Ich würde gerne noch einmal dort hingehen. Wir wurden in<br />

einer leeren Schule untergebracht. An der Ecke stand eine Bäckerei.<br />

Bäcker Aardenbeck war auch Bürgermeister <strong>von</strong> dem Dorf. Er und<br />

seine Frau waren schon recht alt. Dann wohnte um die Ecke noch<br />

Bauer Silse. Ich erinnere mich, dass bei der Schule ein kleiner Schulplatz<br />

war. Der Hauptlehrer hieß Gosschalk, er hatte immer einen gelben<br />

Anzug mit Reithosen an. Und er war ganz streng. Wir schliefen<br />

im Stroh: Männer, Frauen und Kinder. Es waren dort etwa vierzig bis<br />

fünfzig Menschen der verschiedensten Schattierungen und man kann<br />

sich vorstellen, dass es unter ihnen Spannungen gab. Es gab auch<br />

Leute, die sich nicht zu benehmen wussten. Aber es gab auch Spannungen<br />

zwischen den Flüchtlingen und den Deutschen. Die Erwachsenen<br />

konnten dann vielleicht glauben, dass sie <strong>von</strong> der Bevölkerung<br />

höflich behandelt würden, aber die Bevölkerung war vor allem auch<br />

mit sich selbst beschäftigt.<br />

Vater hatte nach drei Tagen bereits eine Stelle gefunden. Er fing an<br />

mit der Arbeit in der Zuckerfabrik in Lüneburg. Er arbeitete an einer<br />

Winde. Er saß in so einem Häuschen in der Luft, genau so ein Häuschen<br />

wie bei den Lifts beim Wintersport. Er musste Hebel bedienen<br />

und dann kamen die Steckrüben in Kästen herunter. Es gab ganz oft<br />

Luftalarm und Lüneburg wurde unheimlich oft bombardiert, aber Vater<br />

blieb dann einfach ‚in der Luft‘. Es hätte zu viel Zeit gekostet, ihn<br />

immer wieder nach unten zu bringen.<br />

Wir bekamen Lebensmittelmarken, um Brot kaufen zu können. Als<br />

ich zum dritten Mal bei Frau Aardenbeck war, um Brot zu holen,<br />

fragte sie, ob ich im ‚Lager‘ bei Herrn Gosschalk wohnte. Und sie<br />

fragte mich, was ich später werden wollte. Ich antwortete, dass ich<br />

Bäcker werden wollte, und das stimmte auch noch, das hatte ich vor<br />

dem Krieg immer schon behauptet. Dann sagte sie: ‚Na Aadchen,<br />

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