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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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neue Zukunft anfangen zu können. Es war schon lange sein Traum,<br />

Zeichenlehrer und Künstler zu werden. Dieser Traum konnte jetzt in<br />

Erfüllung gehen. Ich war damals sechs Jahre alt und erinnere mich,<br />

dass er, als er sich <strong>von</strong> seiner langen Reise erholt hatte, anfing, im<br />

Dorf und um das Dorf herum zu zeichnen, zu aquarellieren. Ich saß<br />

dann oft neben ihm und schaute ihm dabei zu. Aber das hat nur kurz<br />

gedauert. Am 12. oder am 13. Mai, bekamen wir die englischen Besatzer<br />

im Dorf. Am 15. Mai wurde Vater <strong>von</strong> einer englischen Patrouille<br />

verhaftet, als er vom Deich aus den kleinen Hafen <strong>von</strong> Lunden<br />

zeichnete. Seine Papiere waren nicht in Ordnung. Man brauchte in<br />

dieser Zeit bei jedem Grenzübertritt ein Visum. Was machte dieser<br />

Holländer ohne Visum in Deutschland? Die wichtigste Aufgabe der<br />

englischen Besatzer war die Entnazifizierung dieses Teils Deutschlands.<br />

Sie fanden ihn verdächtig und so wurde er festgenommen. Damit<br />

begann eine Odyssee durch verschiedene Internierungslager.<br />

In Deutschland hat er kürzer oder länger in vier verschiedenen Lagern<br />

gesessen. Nach etwa einem Jahr wurde er schließlich in die Niederlande<br />

transportiert. Dort hat er damals in fünf verschiedenen Lagern<br />

gesessen. Erst am 7. März 1947, also fast zwei Jahre nach seiner Verhaftung<br />

und ein Jahr, nachdem er den niederländischen Autoritäten<br />

überstellt worden war, musste er vor dem Tribunal* der Bijzondere<br />

Rechtspleging* erscheinen. Im Juni 1948 wurde er entlassen. Mein<br />

Bruder und ich haben Jahre später, nach dem Tod meines Vaters,<br />

seine Akte einsehen dürfen. Das war damals noch in einem Depot des<br />

Justizministeriums. Es stellte sich heraus, dass mein Vater zu der Kategorie<br />

NSBer gehört hatte, die Mitglied geworden waren, weil sie<br />

Musserts Worten glaubten. Der hatte gesagt, dass die NSB vermeiden<br />

könne, dass die Niederlande nach dem Krieg <strong>von</strong> Deutschland einverleibt<br />

werden würden. Er muss sich deshalb gedacht haben, dass die<br />

Mitgliedschaft eine gute Sache für das Vaterland sei. Es kann im Leben<br />

seltsam zugehen. Aus der Akte ging glücklicherweise auch hervor,<br />

dass er, dem Sinne nach, keinem etwas zu Leide getan hatte. Und<br />

so konnte ich meinen Vater, nachdem ich ihm jahrelang misstraut<br />

hatte, weil er fout gewesen war und gesessen hatte, wieder richtig lieben.<br />

Aber damals war er schon gestorben. Ich merke jetzt, dass ich<br />

ihm viele Dinge widme, die ich kann, mache oder erreicht habe, und<br />

immer mehr in Liebe und mit Respekt an ihn denke.<br />

Obwohl mein Vater nichts Böses getan hat, kostete die Gefangenschaft<br />

ihm drei Jahre seines Lebens. Aber zwei Jahre da<strong>von</strong>, fast ein<br />

Jahr in Neumünster und ein Jahr im Noordoostpolder, sind für ihn<br />

ganz besondere Jahre gewesen. Darüber wollte er später auch immer<br />

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