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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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Meine Großeltern beiderseits haben, soweit ich weiß, niemals kollaboriert.<br />

Der Familienname väterlicherseits ist recht bekannt, und wenn<br />

sie kollaboriert hätten, dann hätte ich es sicher gewusst.<br />

Meine Großeltern sind nach der Befreiung im Lager gewesen. Ich<br />

habe keine Geschichten darüber gehört, dass sie misshandelt worden<br />

wären oder dass sie schlimmen Hunger gelitten hätten, bis auf den<br />

Vater meiner Mutter. Er hat, so krank er war, auf dem Land arbeiten<br />

müssen. Als er eine Lungenentzündung bekam, haben sie ihn sozusagen<br />

einfach sterben lassen. Mein Vater hat auch in einem Lager gesessen.<br />

Ich habe jedoch den Eindruck, dass er in diesem Lager nicht so<br />

sehr gelitten hat. Meine Mutter war nicht im Lager. Als ihre Eltern im<br />

Lager saßen, war sie bei einem Onkel und einer Tante untergebracht.<br />

Meine Mutter war damals erst etwa vierzehn, fünfzehn Jahre alt.<br />

Meine Großeltern mütterlicherseits sind am Dolle Dinsdag* geflohen.<br />

Als sie mit dem Zug zu einem Bruder <strong>von</strong> Opa in Groningen unterwegs<br />

waren, sind ihnen beim Warten ihre Koffer mit Schmuck und<br />

auch anderem Besitz gestohlen worden.<br />

Die Eltern meines Vaters sind nicht geflohen. Als sie festgenommen<br />

werden sollten, haben sie einen Teil ihres Besitzes bei Freunden abgestellt.<br />

Oma erzählte später, dass aber ein Großteil ihres Besitzes aus<br />

dem Haus gestohlen worden ist. Sie hat auch erlebt, dass sie später zu<br />

Leuten zu Besuch kamen, wo dann ihre Gemälde an der Wand hingen.<br />

Mein Opa hat später sein Geschäft noch zurückbekommen und es<br />

auch fortgeführt. Mein anderer Opa war tot, und Oma hat nichts zurückbekommen.<br />

Ich habe unheimlich Mitleid mit meinen Eltern. Vor allem mit meiner<br />

Mutter. Ich identifiziere mich manchmal so stark mit ihr, dass es ist,<br />

als ob das, was ihr geschah, mir selbst geschehen ist. Sowohl mein<br />

Vater als auch meine Mutter hatten kein Freunde und Freundinnen.<br />

Sie wurden zum Beispiel nie zum Spielen eingeladen. Man ging in der<br />

Kriegszeit meist nicht mit NSBern und ihren Kindern um. Viele Menschen<br />

wollten nicht mit der NSB in Verbindung gebracht werden.<br />

Meine Großeltern väterlicherseits erzählten, dass es einen Pastor gab,<br />

der doch mit ihnen etwas zu tun haben wollte, und sie waren nicht<br />

einmal römisch-katholisch. Aber es wurde ihm <strong>von</strong> seinen Gemeindemitgliedern<br />

und anderen nicht mit Dank abgenommen. Meine Mutter<br />

wurde als Kind <strong>von</strong> den Nachbarn beschimpft. Das ist doch nicht<br />

vorstellbar! Sie war ein junges, wehrloses Kind. Sie saß in der Schule<br />

bei einem Lehrer in der Klasse, der es fertig gebracht hat, ein ganzes<br />

Jahr lang nichts zu ihr zu sagen. Sie kam auch nie an die Reihe und<br />

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