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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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Deutschland. Unterwegs wurden die Züge nämlich <strong>von</strong> den Engländern<br />

bombardiert.<br />

Es ist schon wieder mehr als zehn Jahr her, als wir zu Mutters Geburtstag<br />

in der Provinz Zeeland waren. Die Sonne ging blutrot unter.<br />

Wir saßen dort zu fünft, Vater, meine Frau und ich, mein Bruder und<br />

seine Frau, Mutter war gerade kurz in die Küche. Dann sagte mein<br />

Bruder auf einmal: ‚Ich muss noch daran denken, dass wir in dem Zug<br />

saßen, die Sonne ging damals genau so unter wie jetzt, und dann<br />

mussten wir auf einmal aus dem Zug raus, es wurde geschossen.‘ Wie<br />

<strong>von</strong> einer Wespe gestochen kam meine Mutter aus der Küche angerannt<br />

und sagte: ‚Darüber möchte ich nicht reden.‘ Mein Vater ist<br />

dann zur Tagesordnung übergegangen und fragte: ‚Wollt ihr noch<br />

einen Schnapps?‘ Und so stockte das Gespräch.<br />

Ich habe ein jahrelanges Training gehabt in ‚Darüber soll man nicht<br />

reden.‘<br />

Als die Befreiung kam, lag Vater im Sanatorium. Mutter hat damals<br />

zusammen mit einer Bekannten, einer anderen Frau, die Chance<br />

wahrgenommen, wieder eine Wohnung zu bekommen. Mutter war<br />

Näherin, und sie hat auf diese Weise den Unterhalt für die Familie<br />

verdient. Es gab kaum Kontakt zu anderen Menschen. Wir Kinder<br />

wurden immer ganz frei, um nicht zu sagen, alleine gelassen. Meine<br />

Mutter war sehr depressiv. Sie saß immer ganz apathisch in einer Ecke<br />

und man musste drei- oder viermal etwas sagen, bevor es bis zu ihr<br />

durchdrang. Also gingen wir auf die Straße. Vater ging, als er wieder<br />

zu Hause war, <strong>von</strong> morgens früh bis abends spät zur Arbeit. Wenn er<br />

nach Hause kam, war er ganz müde. Er hatte damals einen Verwaltungsjob<br />

bei einer Farbfabrik in Den Haag. In diesem Unternehmen<br />

arbeiteten verschiedene ehemalige SSler. Auch der Mann, der früher<br />

meinem Vater zu dieser Arbeit bei Nieuwenhuis verholfen hatte.<br />

Vater hatte praktisch keine Ausbildung, aber er konnte auf hohem Niveau<br />

mitreden. Er hat immer vieles gelesen. Er hatte vor allem in den<br />

Sanatorien viel Kontakt zu Menschen, die besser ausgebildet waren.<br />

Bei Bewerbungsgesprächen nach dem Krieg hatte er sich selbst zu<br />

einem ehemaligen Schüler einer HBS* in Amsterdam gemacht. Diese<br />

Schule war im Krieg abgebrannt. Er kam dann bei einem Bewerbungsgespräch<br />

mit der Geschichte, dass all seine Papiere weg waren.<br />

Ich bin in der Schule nie darauf angesprochen worden, dass meine<br />

Eltern bei der NSB waren. Aber das kommt daher, weil mein Vater<br />

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