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Regionale Schulgeschichte - oops - Carl von Ossietzky Universität ...

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lich.‘ Und so ist es immer geblieben, dieses Gefühl habe ich jetzt<br />

noch. Vater und Mutter wollen einfach nicht zur Verantwortung gerufen<br />

werden, ich kann nicht anfangen, mit ihnen darüber zu reden. Ich<br />

denke, dass sie schon vor Jahren aufgehört haben, zu sagen, was sie<br />

denken. Weil die Trennung zwischen goed und fout so scharf formuliert<br />

ist, haben sie sich entschlossen, darüber nicht mehr zu reden.<br />

Wenn der Krieg dann doch in einem Gespräch kurz zur Sprache kam,<br />

dann hieß es immer: ‚Ja, aber es gibt weit mehr darüber zu sagen.‘<br />

Mein Vater war siebzehn, als der Krieg begann. Er hat sich der NSB<br />

oder einer anderen Organisation angeschlossen, und er ist in den Osten<br />

gegangen. Es muss wohl an der NSB gelegen haben, weil die damals<br />

Bauern in den Osten schickte.<br />

Was Vater dort in Russland genau getan hat, weiß ich nicht. Ich vermute,<br />

dass er dort Menschen zeigen musste, wie sie die Landwirtschaft<br />

dort am besten aufbauen und organisieren konnten. Er hat auch<br />

mal erzählt, dass er dort gelernt hat, eine russische Zeitung zu lesen.<br />

Meine Mutter ist vermutlich beim Jeugdstorm* gewesen. Ich habe<br />

nämlich ein Bild <strong>von</strong> ihr, auf dem man sehen kann, dass ein kleines<br />

Emblem retuschiert worden ist. Ich habe über diese Dinge nie mit<br />

meiner Schwester geredet. Einmal hat meine Mutter etwas über ihre<br />

eigene Schwester erzählt. Das war, als es Probleme mit dem Mann<br />

ihrer Schwester gab. Mutter sagte damals: ‚Das muss sie nun auch<br />

noch erleben nach all dem, was damals in Westerbork geschehen ist.‘<br />

Es war bekannt, auch wenn das nie mit so vielen Worten gesagt<br />

wurde, dass mein Schwager und seine Familie bei der NSB waren.<br />

Meine Tante kam deshalb nach der Befreiung ins Lager Westerbork.<br />

Sie hatte schon ein Kind, ein Mädchen, als sie festgenommen wurde,<br />

und sie war mit dem zweiten Kind schwanger. Das Mädchen wurde<br />

<strong>von</strong> einem Bruder meiner Tante, also auch dem Bruder meiner Mutter,<br />

aufgenommen. Im Lager hat meine Tante dann entbunden. Das Kind<br />

scheint wohl lebend geboren zu sein, ist dann aber kurz nach der Geburt<br />

gestorben. Jemand soll meiner Tante in den Bauch getreten haben,<br />

gerade bevor das Kind geboren wurde. Ich glaube, dass das Baby<br />

ein Mädchen war. Aber mehr weiß ich nicht darüber.<br />

Ich denke, dass das Schweigen in unserer Familie zu tun hat mit der<br />

Einstellung: ‚Egal, was wir sagen, es ändert doch nichts, wir werden ja<br />

doch nicht gehört und wir werden auch nicht verstanden.‘ Aber das<br />

Schweigen kann natürlich auch etwas mit dem Volkscharakter zu tun<br />

haben.<br />

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