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SIP_KlassikVespaKatalog-2012

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Technik Zylinder Teil 2<br />

Fortsetzung von Seite 81<br />

Zylinder<br />

Man unterscheidet generell Grauguss- und Aluminiumzylinder. Graugusszylinder<br />

besitzen hervorragende Laufbahneigenschaften (Härte, Notlaufeigenschaften)<br />

und lassen sich bei Verschleiss nachschleifen, also honen<br />

(Übermaßkolben). Thermisch sind sie weniger belastbar, daher sind viele<br />

Graugusszylinder eher drehmomentstark konzipiert. Der große Vorteil<br />

von Aluminiumzylindern ist die hohe Wärmeableitfähigkeit. Allerdings ist<br />

das weiche Aluminium als Lauffläche ungeeignet, weswegen Aluzylinder<br />

eine beschichtete Lauffläche besitzen und für höhere Leistungsabgaben<br />

auch drehzahlstark ausgelegt werden können. Im Zylinder befinden sich<br />

Überströmkanäle und ein Auslasskanal. Große Auslasskanäle sind häufig<br />

geteilt, so dass der Kolbenring besser geführt ist. Zylinder mit modernem<br />

Layout besitzen häufig einen Stützkanal, auch „Boostport“ genannt. Er<br />

zielt in etwa Richtung Zündkerze und „stützt“ den Gasstrom der seitlichen<br />

Hauptkanäle. Bei Direkteinlass Zylindern befindet sich gegenüber<br />

des Auslasses der Zylindereinlass. Ist die Bohrung größer als der Hub (z.B.<br />

beim 210er Malossi: Hub = 57mm, Bohrung = 68.5mm) spricht man von<br />

einem Kurzhubmotor. Umgekehrt ist es ein Langhubmotor, der hat dann<br />

einen recht langen Kolbenweg und bietet meist wenig Drehfreude.<br />

Steuerzeiten<br />

Auf seinem Weg vom oberen Totpunkt (OT) zum unteren Totpunkt (UT)<br />

gibt der Kolben erst den Auslasskanal, und dann die Überströmer frei. Jetzt<br />

gibt die Kurbelwange den Einlass ins Kurbelgehäuse frei (Drehschiebermotor).<br />

Die Steuerzeiten werden in Grad Kurbelwinkel (°KW) angegeben.<br />

Entscheidend für ein optimales Zusammenspiel von<br />

Zylinder und Auspuff ist der sogenannte Vorauslass. Dieser<br />

beschreibt die Dauer in °KW zwischen „Auslass öffnet“<br />

und „Überströmer öffnet“. Er dient dazu, dass die<br />

Verbrennungsgase nach ihrer Arbeit aus dem Zylinder<br />

entweichen können, bevor die Überströmer<br />

öffnen. Während die Verbrennungsgase unter<br />

hohem Druck (3-8 bar) stehen, ist der Druck<br />

des vorverdichteten Gases im Kurbelgehäuse<br />

nur ganz niedrig (ca. 0.3 bar). Damit es in den<br />

Zylinder strömen kann, wenn die Überströmer<br />

öffnen, muss der hohe Druck im Zylinder<br />

bereits vorher durch den Auspuff entweichen<br />

können. Je höher die anvisierte Arbeitsdrehzahl<br />

des Motors ist, desto früher muss das<br />

passieren. Dafür muss aber mehr Vorauslass<br />

vorhanden sein. Es ist nun nicht so, dass mehr<br />

Vorauslass automatisch immer besser ist. Das Verbrennungsgas<br />

wird immer weniger ausgenutzt, je<br />

kleiner der Nutzhub des Zylinders wird, das Drehmoment<br />

wird dabei geringer. Hier wirken sich 2 Effekte<br />

entgegen: Zum einen mehr Drehzahl, die bei gleichem<br />

Drehmoment dann mehr Leistung bedeuten würde. ‚Würde‘<br />

– denn das Drehmoment wird ja etwas reduziert. Es sei denn, der<br />

(richtige) Resonanzauspuff kann das durch sein Druck-Pulsen ausgleichen.<br />

Nur dann gibt es wirklich mehr Leistung.<br />

Mehr Breite des Auslasses (max. 60-70% der Bohrung bei einteiligem<br />

Auslass!) ermöglicht ebenfalls einen schnellen Druckabbau im Zylinder.<br />

Dadurch kann man den Vorauslass geringer halten. Wichtig ist hier<br />

die Qualität der Kolbenringe.<br />

Ein Problem von zu langen Einlasszeiten stellt der „Blow Back“ dar. So<br />

wird das Herausdrücken des Gemisches aufgrund einer zu langen Einlasszeit<br />

bezeichnet. Er erhöht den Benzinverbrauch, erschwert die Einstellung<br />

des Vergasers und führt zum Leistungseinbruch im unteren Drehzahlbereich<br />

– das berühmte Freirotzen beim Anfahren.<br />

270°<br />

Auslass<br />

Abwicklung („Portmap“) eines MALOSSI 210ccm Zylinders.<br />

Steuerzeiten messen<br />

Am einfachsten geht das mit einer Gradscheibe, Art.-Nr. 830000. Diese<br />

an der Kurbelwelle befestigen. In unserem Beispiel sind 0° bei OT, Kolben<br />

steht in OT. Nun Motor drehen bis die Kolbenoberkante gerade<br />

die Auslasskante freigibt. Auslassöffnungsgrad ablesen, z.B. 95°. Weiterdrehen<br />

bis der erste Überströmer freiliegt. Bsp: 120°. Motor über<br />

den UT weiterdrehen bis der Kolben wieder nach oben fährt und die<br />

Überströmer wieder schließt. Bsp: 240°. Weiterdrehen bis der Auslass<br />

schliesst. Bsp: Auslass schließt bei 275°.<br />

Auslass<br />

öffnet bei 95° KW nach OT<br />

schließt bei 275° KW nach OT<br />

Steuerzeit Auslass = 180° KW.<br />

Überströmer<br />

öffnet bei 120° KW nach OT<br />

schließt bei 240° KW nach OT<br />

Steuerzeit Überströmer = 120° KW.<br />

Aus der Differenz ergibt sich der Vorauslass:<br />

(Steuerzeit Auslass – Steuerzeit Überströmer) / 2 = Vorauslass<br />

(180 - 120) / 2 = 30°<br />

Diese Werte haben sich als erstrebenswert erwiesen:<br />

Auslass: zwischen 176° und 188° KW<br />

Überströmer: zwischen 120° und 128° KW<br />

Vorauslass: zwischen 28 und 32° KW<br />

Umrechnen von °KW in mm Kolbenbewegung<br />

Vorauslass<br />

Zum Anzeichnen für Fräsarbeiten an Auslass oder Überströmer ist die<br />

Umrechnung der Grad-Angaben in mm wünschenswert. Leider ist dieses<br />

Thema recht komplex. Der Kurbelwellenhub und die Kolbenbewegung<br />

stimmen nicht überein, darum kann man nicht einfach 360°/2<br />

rechnen und dann die Gradzahl in mm umtragen. Das Pleuel wirkt<br />

quasi als Übersetzung, besonders im mittleren Bereich des Kolbenweges.<br />

Je näher wir an UT und OT kommen, umso geringer wirkt sich<br />

diese Über/ Untersetzung aus. Die richtige Formel ist eine abgewandelte<br />

Sinus/ Cosinuskurve, abgewandelt daher weil das Pleuel nur in<br />

OT und UT parallel zur Zylinderachse steht, ansonsten abgewinkelt<br />

(Deachsierung). Daher kommt auch das Phänomen, dass der Kolben<br />

90° nach OT oder UT nicht exakt die Hälfte des Kurbelwellenhubes<br />

durchlaufen hat, sondern schon etwas mehr!<br />

OT<br />

Auslass<br />

= (+)²−²− ² − sin( +<br />

<br />

<br />

− )² + cos + sin<br />

+ + <br />

UT<br />

x= Abstand von OT (mm) h= Hub (mm) l=Pleullänge (mm) Alpha=Winkel vor OT (°) d= Deachsierung<br />

180°<br />

90°<br />

0°<br />

UT<br />

OT<br />

im Internet befinden sich zahlreiche Excel Umrechner für diese<br />

Thematik, eine google Suche hilft hier zügig. Alternativ: Drehen der<br />

Kurbelwelle, Ablesen an der Gradscheibe und Anzeichnen ist bei präziser<br />

Arbeitsweise und am besten 2 Korrekturläufen auch ausreichend<br />

genau.<br />

0 0 0 1 2 4 Mitmachen: <strong>SIP</strong> Scooterbase, die Rollerdatenbank: www.sip-scootershop.com/scooterbase

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