11.10.2016 Aufrufe

SIP_KlassikVespaKatalog-2012

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Markus Brückner (Morlock Scooter Gang) über:<br />

MOD iN BERLiN<br />

uND ÜBERHAupt –<br />

uND fOREVER SOWiESO...<br />

Aus der Begeisterung für alles Europäische, insbesondere Mediterrane,<br />

und dem Protest gegen den Muff der Britischen Nachkriegskultur entstand<br />

in den frühen 60ern mit den Mods die erste echte Teenager-Bewegung,<br />

eine Jugendkultur aus Individualisten die hemmungslos ihrem<br />

Hedonismus frönten. Der Begriff „Mod“ leitete sich ursprünglich aus der<br />

Vorliebe für Modern Jazz ab, stand aber bald für die Liebe zu allem<br />

Modernen, Angesagten, Futuristischen und für die Ablehnung<br />

alles Traditionellen, Etablierten – und natürlich für Mode. Stil,<br />

Mode und Musik waren das Credo dieser Working Class<br />

Dandies, die sich Dank des damals neuen Systems der Ratenzahlungen<br />

einen Lebensstil leisten konnten, die vorher<br />

nur den Sprösslingen der Oberklasse vorbehalten<br />

war. Mod war und ist ein „very British phenomenon“<br />

– dabei liebten Mods in den 60ern ironischerweise alles<br />

Nicht-Britische: Vor allem schwarze Musik wie Soul,<br />

R&B, und später den Ska der jamaikanischen Einwanderer.<br />

Auch die Begeisterung für Vespa und Lambretta<br />

speiste sich aus der Begeisterung für alles Europäische.<br />

(Noch heute können wir froh sein, dass diese Begeisterung<br />

sich auf Roller und nicht auf z.B. chromglänzende<br />

italienische Espresso-Maschinen richtete). 1965 erlebt die<br />

Mod-Bewegung ihren Höhepunkt. Mit den Who und den Small<br />

Faces hält die Bewegung Einzug in die Charts, gleichzeitig beginnt<br />

mit der Kommerzialisierung aber auch der Niedergang der vormaligen<br />

Avantgarde. Die Szene spaltet sich auf in die härteren Working-Class oder<br />

Hard Mods, die sich zunehmend am Stil der Jamaikanischen Immigranten<br />

orientieren. Aus diesen „DocMartens Dandies“ entstand der frühe<br />

Skinhead-Stil, während sich die Fraktion der Feingeister und Studenten<br />

in Richtung Psychedelia und der entstehenden Hippie-Bewegung entwickelt.<br />

Nach einer Ruhepause von einem Jahrzehnt erlebte Mod ein Revival. Für<br />

mich, wie für die meisten meines Jahrgangs, begann alles um die Jahreswende<br />

1979/80. Nein, nicht Quadrophenia. Mit dem Film, der für viele<br />

Mods der zweiten Generation zur Schablone wurde, konnte ich nichts<br />

anfangen, genau wie mit dem Soundtrack (die Who waren zu der Zeit<br />

unerträgliche Rock-Oper-Diven), aber Cover und Booklet des ursprünglichen<br />

Quadrophenia-Albums waren für mich stilbildend. Das<br />

Two-Tone Ska-Revival, allen voran Madness und die Specials,<br />

waren allerdings der entscheidende Auslöser für mich.<br />

Dazu Punk: Das Mod-Revival Ende der 70er bezog seine<br />

Energie aus den Ausläufern der Punk-Welle. Entsprechend<br />

waren Bands wie The Jam oder später Long Tall<br />

Shorty für mich in erster Linie „Punk“ – und ich sah<br />

mich selbst eher als „Punk im Parka“. Später erst dämmerte<br />

die Erkenntnis, dass „Mod“ all das, wofür ich<br />

mich als Teenager begeisterte, zusammenfasste, von<br />

der Musik – Ska, Punk, Beat, Soul – über den Stil, sich<br />

zu kleiden (überhaupt die Bedeutung von Kleidung),<br />

„everything British“, Bücher und Filme der 60er und<br />

nicht zuletzt - Roller fahren...<br />

„Roller fahren“ bedeutete im Berlin der 80er Jahre vor allem<br />

„in der Stadt fahren“. Berlin war eine Insel, und Exkursionen nach<br />

„Westdeutschland“ zu Treffen, Konzerten oder Runs setzten zum einen<br />

Organisation voraus und verliefen – da jede Strecke zwangsläufig durch<br />

die „Zone“ verlief –meist per PKW und ohne Roller. (Anmerkung: Für den<br />

Berliner ist alles außerhalb Berlins bis heute „Westdeutschland“ – unabhängig<br />

von der tatsächlichen geografischen Lage). Vielleicht war das der<br />

Grund, weshalb in Berlin so viele Rollerfahrer früh einen Großteil ihrer<br />

Zeit mit Basteln an ihren Gefährten zubrachten, nach dem Motto „mein<br />

0 0 0 6 9 4

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!