alttestamentlichen Zitate Neuen Testament. - Licht und Recht
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54 Die <strong>alttestamentlichen</strong> <strong>Zitate</strong> im Evangelium des Matthäus.<br />
Flasche zerbricht zum Anzeichen dessen, dass also das Volk <strong>und</strong> die Stadt zerscheitert werden sollten.<br />
Hier war die passende Gelegenheit, um den vom Tophet zurückgekehrten Jeremia um seinen<br />
Lohn fragen <strong>und</strong> denselben mit Entrüstung in den Tempel <strong>und</strong> weiter auf den Töpferacker hinwerfen<br />
zu lassen. Die eingeschaltete Stelle umfasste Sach. 11,12.13 <strong>und</strong> fing an mit den Worten: רÅמé או<br />
םùהיtלòא d. h.: „<strong>und</strong> ich, der Prophet, sprach zu ihnen“. Es konnte nun scheinen, dass Jeremia diese<br />
Worte aus eigenem Antrieb an die ihn begleitenden Ältesten gerichtet. Dem widerspricht jedoch,<br />
dass am Schluss noch die Worte stehen: καθὰ συνέταξέν μοι Κύριος, worin lag, dass auch Jeremia<br />
auf Gottes Befehl die Ältesten auf die Probe gestellt <strong>und</strong> um seinen Lohn gefragt habe.<br />
Und eben dieses καθὰ συνέταξέν μοι Κύριος, das wie Num. 16,40 (LXX) ziemlich locker angehängt<br />
ist, lässt uns wiederum Bedenken tragen, die Einschaltung bei Jeremia lediglich auf Rechnung<br />
eines Diaskeuasten zu setzen. Es kann derselbe nicht rein aus eigener Willkür diese Einschaltung<br />
vorgenommen haben. Der solchen Worten gebührende Respekt, der durch die Herübernahme<br />
in den Kontext des Evangelisten nur noch vermehrt wird, zwingt uns, die ganze Einschaltung als<br />
echt jeremianisch anzusehen. Gewährsmänner haben wir außer Matthäus nicht dafür, wenn nicht<br />
etwa jenes Jeremiae apocryphum, dessen Hieronymus (Opera omnia, Tom. VII, p. 228) gedenkt, dafür<br />
gelten darf. Er sagt: Legi nuper in quodam hebraico volumine, quod Nazarenae sectae mihi Hebraeus<br />
obtulit, Jeremiae apocryphum, in quo haec (Sach. 11,13) ad verbum scripta reperi.<br />
Aber das Zeugnis des Matthäus wiegt uns viele Manuskripte auf. Es sagt uns, dass diese Szene<br />
zum ersten Mal von Jeremia erlebt ward. Dass ein Prophet die Weissagung des andern wiederaufnehme,<br />
um daran seine Worte zu knüpfen oder um jene alte Weissagung für die Gegenwart wieder<br />
aufleben zu lassen, das ist bekannt. Am bekanntesten ist, wie Jesaja Kap. 2,1 ff. die Weissagung des<br />
nur um ein Weniges jüngeren Micha vom Berge des Herrn (Kap. 4,1) wieder aufnahm <strong>und</strong> sich damit<br />
zu ihr bekannte. 35 Ganz so nimmt Amos 1,2 ff. die Weissagung Joels (Kap. 4,16) wieder auf, um<br />
sie für die Gegenwart aufrecht zu erhalten. Notorisch ist ferner <strong>und</strong> treffend von Kueper 36 nachgewiesen,<br />
wie Jeremia seine Weissagungen oft mosaikartig aus Worten älterer Propheten zusammensetzt.<br />
Dass es nun unmöglich sei, ein jüngerer Prophet (wie hier Sacharja) habe uns auf diesem<br />
Wege der Reproduktion auch ein <strong>und</strong> das andere Wort eines älteren aufbewahrt, das wir bei dem<br />
letzteren nicht mehr finden: wer dürfte das behaupten wollen? Sollte sich z. B. bei einem Jeremia<br />
kein älteres prophetisches Wort finden, welches in unserer kanonischen Sammlung abhanden gekommen,<br />
<strong>und</strong> das sich nur dadurch, dass Jeremia es wieder aufnimmt, erhalten hat? – Wie steht es<br />
denn mit der Weissagung Henochs im Briefe Judae (V. 14. 15)? 37 Auch hier bewahrt der Judasbrief<br />
Worte, die wir im Kanon nicht finden; ebenso ist Judas V. 9 <strong>und</strong> Hebr. 12,21 zu beurteilen. Und so<br />
kann auch Sacharja die Stelle Kap. 11,12.13 aus Jeremia genommen oder in der Vision dasjenige<br />
abermals erlebt haben, von dem es durch Überlieferung sicher war, dass Jeremia es faktisch erlebt:<br />
die schmachvolle Entlohnung um den Preis von dreißig Silberlingen.<br />
Dieser Tradition folgend <strong>und</strong> sie bewahrend, mag die Volksbibel die jeremianische Stelle, die<br />
hinter Jer. 19,15 gehörte, mit Fug <strong>und</strong> <strong>Recht</strong> aus Sacharja herübergenommen <strong>und</strong> dem Jeremia restituiert<br />
haben, ähnlich wie Judas die Weissagung Henochs dem uralten Patriarchen wieder in den<br />
M<strong>und</strong> legt, nachdem dieser M<strong>und</strong> Jahrtausende für die Leser der Genesis geschwiegen. Das Gedächtnis<br />
für Worte Gottes ist in den Herzen des Volkes Gottes oft ein ganz w<strong>und</strong>erbares: keines dieser<br />
Worte fällt zur Erde! Zu seiner Zeit holt ein Prophet es aus dem verstaubten Winkel hervor –<br />
<strong>und</strong> setzt es wieder in sein <strong>Recht</strong> ein. Keine Klaue soll dahinten bleiben <strong>und</strong> in Ägypten umkom-<br />
35 Vergl. dazu Bleek in der Einleitung in das A. Test. S. 457.<br />
36 Jeremias librorum sacrorum interpres.<br />
37 Vergl. v. Hofmann, Die heil. Schrift N. Test. VII, Abt. 2, S. 205. 208 ff.: man habe solche Tatsachen in den jüdischen<br />
Schulen erschlossen, <strong>und</strong> zwar nicht ohne Berechtigung.