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Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...

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Sigurd Paul Scheichl<br />

schicht, Frau von Cypressenburg zumal, fallen auf das rhetorische Feuerwerk<br />

des Friseurgesellen hinein – weil er im Grunde ihre eigenen sprachlichen<br />

Verfahrensweisen einsetzt, so geschickt, dass sie sein Paro<strong>di</strong>eren<br />

ihres Stils nicht bemerken. Die satirischen Effekte von <strong>Nestroy</strong>s Dialog<br />

beruhen nicht, wie von Matt schreibt, auf der «komischen Anmaßung<br />

einer höheren Sprache» 28 durch Menschen aus einer niederen sozialen<br />

Schicht, sondern auf der Komik <strong>di</strong>eser «höheren Sprache» auch bei jenen<br />

Sprechern, denen sie in der tra<strong>di</strong>tionellen gesellschaftlichen Ordnung<br />

sozusagen zusteht.<br />

Weitere Beispiele für solches satirisches Aufzeigen sprachlicher Brüche,<br />

für <strong>di</strong>ese Satire auf <strong>di</strong>e Art, in der “man” spricht:<br />

Als Flora Baumscheer einsehen muss, dass Titus wegen der Kammerfrau<br />

sein Interesse an ihr verloren hat und nicht mit ihr essen, nein: speisen<br />

will, ruft sie aus (II, 5): «Wer da nicht den Apetit verliert, der hat keinen<br />

zu verlieren», zitiert also Emilia Galotti («[...] wer über gewisse Dinge<br />

den Verstand nicht verlieret, der hat keinen zu verlieren») 29 . Die Worte der<br />

fürstlichen Maitresse nehmen sich im Munde einer Gärtnerin komisch<br />

genug aus; auch sind <strong>di</strong>e Situationen, in denen <strong>di</strong>ese Sätze fallen, von recht<br />

unterschiedlichem Gewicht: In der Tragö<strong>di</strong>e aus dem 18. Jahrhundert geht<br />

es um das Ende einer das Leben der Sprecherin, auch ihre materielle Existenz<br />

bestimmenden Beziehung im höchsten gesellschaftlichen Milieu, im<br />

Talisman ist von der momentanen Hoffnung einer Be<strong>di</strong>ensteten auf einen<br />

neuen Lebenspartner <strong>di</strong>e Rede; das Herabstimmen des «Verstands» auf<br />

den «Apetit» stimmt zu <strong>di</strong>eser Veränderung – und verdeutlicht, wie wenig<br />

das Zitat, das übernommene Klischee, überhaupt <strong>di</strong>e Literatursprache auf<br />

eine andere, zumal eine alltägliche Lebenssituation passt.<br />

Titus selbst gleicht seine Rede – erfolgreich – selbstverständlich ebenfalls<br />

dem Milieu an, in das er mit Hilfe der Perücken aufsteigen zu können<br />

glaubt. Etwa in der Replik (II, 7):<br />

CONSTANTIA. Also sind Sie der Meinung, daß man an meiner Seite –<br />

TITUS. Stolz in <strong>di</strong>e unbekannten Welten blicken kann, und sich<br />

dencken, überall kann’s gut seyn, aber hier is am besten.<br />

Wohl aus Gründen der Figurenpsychologie – damit sie nicht allzu unsympathisch<br />

erscheine – lässt <strong>Nestroy</strong> hier seine Hauptfigur <strong>di</strong>esen<br />

Sprachgebrauch selbst ironisch reflektieren, ihn als der Figur bewusste<br />

28 Ebd.<br />

29 Talisman, S. 350.

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