07.10.2013 Aufrufe

Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...

Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...

Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

92<br />

Reinhard Urbach<br />

Gluthammers verlorene Mathilde, der Schmarotzer willfährige Kokotte<br />

ist), da kehrt auch schon <strong>di</strong>e alte Lethargie wieder – und er schläft ein.<br />

Wer aufwacht, ist nicht der Raisonneur, sondern Lips, der sich auf in<br />

ihm schlummernden, ursprünglichen Atavismus besinnt und mit dem<br />

cholerischen Gluthammer, einem Amokläufer seiner Einbildung, eine<br />

Rauferei beginnt, <strong>di</strong>e mit dem beiderseitigen Sturz in den Fluss endet.<br />

Mit <strong>di</strong>esem Sturz reißt <strong>Nestroy</strong>, der Dramatiker, das Geschehen in gewollter<br />

Plötzlichkeit herum:<br />

Was das Publikum bisher für Antikörper gegen Lips gebildet haben<br />

mag, wendet sich in eine ambivalente Mischung aus Schadenfreude und<br />

Mitleid. Aus der Höhe seines von Gunkel ausstaffierten reichen Lebens<br />

stürzt er ab in <strong>di</strong>e nackte Existenzangst als eingebildeter Mörder.<br />

Wenn Titus Feuerfuchs im Talisman von der trick- und trugreich erkletterten<br />

Karriereleiter wieder herunterstürzt, so kostet es nicht das Leben.<br />

Wenn Knieriem in Lumpazivagabundus den Weltuntergang überlebt, so<br />

ist das kein Unglück.<br />

Wenn Weinberl in Einen Jux will er sich machen in Verstecke und Verstellungen<br />

gehetzt wird, so geht es doch nicht um <strong>di</strong>e Existenz.<br />

Im Zerrissenen erspart <strong>Nestroy</strong> seiner Hauptfigur den vermeintlichen<br />

Absturz in ir<strong>di</strong>sche Höllenangst vor Kerker und Hinrichtung nicht.<br />

Uns, dem Publikum, aber sehr wohl. Wir wissen bald, dass der Mord<br />

nur ein eingebildeter ist, unter welcher Einbildung auch sein Kontrahent<br />

Gluthammer leidet. Wir, das Publikum, können uns zurücklehnen und in<br />

der Sicherheit wiegen, dass sich alles in Wohlgefallen auflösen wird.<br />

Das hat <strong>Nestroy</strong> uns, dem zahlenden Publikum, vergönnt, dass wir<br />

mehr wissen als seine Figur und damit eine vorübergehende infame<br />

Überlegenheit über einen Menschen spüren dürfen, der bald wieder reicher<br />

sein wird als wir alle.<br />

Auch in der Zeit der Angst, auch in der Notwen<strong>di</strong>gkeit der Verstellung,<br />

auch in dem Erlebnis der Liebe hat der Raisoneur seine Figur nicht verlassen,<br />

sondern mit der blumigen Suada und mit zwei weiteren Couplets<br />

Lazzi (Verkleidungen) und Slapstick (Geisterfurcht) verträglich gemacht.<br />

So dass <strong>di</strong>e Diskrepanz zwischen Figur und Rolle stets bewusst blieb.<br />

Lips wird als Figur nicht besser, weil <strong>Nestroy</strong> (oder jeder vergangene und<br />

zukünftige «<strong>Nestroy</strong>»-Schauspieler) sie spielt. Er ist in jedem Moment seiner<br />

Figur überlegen. Er hat den Durckblick, <strong>di</strong>stanziert sich von Lips, indem<br />

er ihn und seine Situation gnadenlos analysiert. Der Figur gehört das<br />

Kreatürliche: Völlerei – Rausch – Schlaf – Prügelei – Todesangst – Gei-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!