Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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Jürgen Hein<br />
In Theaterg’schichten [...] verschränkt <strong>Nestroy</strong> wie häufig im Spätwerk in<br />
artistischer Weise Berufswelt mit dem “Theater” des bürgerlichen Lebens,<br />
oder, wie es Damisch in I, 6 formuliert: er konfrontiert den «Begeisterungstempel»<br />
mit dem «schnöde[n] Wirthschaftsleben» 41 . Daß <strong>Nestroy</strong><br />
sich nach dem Tode Karl Carls noch im gleichen Jahr selbst in der Rolle<br />
eines Theater<strong>di</strong>rektors fand, konnte er nicht ahnen. Die Posse stellt eine<br />
Modellwelt dar: Das Theater erscheint als “Lebenswelt” und umgekehrt<br />
das Leben als “Theater”. <strong>Nestroy</strong> zeichnet seine Berufswelt in theatralischer<br />
Karikatur, lenkt darüber hinaus den Blick auf <strong>di</strong>e Kluft zwischen<br />
(Spieß-)Bürgerlichkeit und Kunst. Die Theater-Paro<strong>di</strong>e gewinnt eine tiefere<br />
Dimension; sie bietet mit der Spiegelung des Publikums vor und auf<br />
der Bühne und mit Anspielungen auf den Alltag ein fast schrankenloses<br />
Theatervergnügen. In realistischer Abbildung des Vorstadttheaterbetriebs<br />
zeigt das Theater sein Janusgesicht als Spiel und Geschäft. Die respektlose<br />
Verwertung des hohen Dramas – Franz Grillparzers Sappho – demonstriert<br />
exemplarisch den Umgang der Vorstadtbühnen mit der “Literatur”.<br />
Es handelt sich um Satire auf Dilettanten- und Sommerbühnen-Unterhaltung,<br />
nicht um <strong>di</strong>e Paro<strong>di</strong>e des “Nachklassikers” Grillparzers. <strong>Nestroy</strong><br />
greift dessen zentrales Thema – den Konflikt der Künstlerproblematik mit<br />
den Forderungen bürgerlicher Welt – im Me<strong>di</strong>um der Posse auf. Er zitiert<br />
gewissermaßen den schon von Grillparzer in <strong>di</strong>e Welt des 19. Jahrhunderts<br />
hineingeholten Stoff und bereichert ihn durch typische Motive<br />
der Theatromanie an, <strong>di</strong>e er z.T. aus seiner Vorlage gewinnt. Dabei geht es<br />
um mehr als um geheilte Theaterwut: Der Entwurftitel Eines Dummkopfs<br />
Leidenschaften akzentuiert in<strong>di</strong>viduelle Verirrung, der endgültige deutet auf<br />
<strong>di</strong>e Kräfte – Liebe, Intrigue, Geld und Dummheit –, <strong>di</strong>e das Theater “regieren”<br />
– wie <strong>di</strong>e Lebenswelt. Gesellschaftliches und künstlerisches Rollenspiel in<br />
seinen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, aber auch seinen Gefahren<br />
des Wirklichkeitsverlustes sind hier miteinander verbunden. Die Posse<br />
verschärft <strong>di</strong>e Problematik von Alltag und Illusion, Theater und Leben;<br />
der Titel nennt <strong>di</strong>e wichtigsten Problemfelder des wirklichen wie des<br />
Theaterlebens. Alle Formen der Theaterbegeisterung, Theaterleidenschaft<br />
bis hin zum Theaterhaß werden durchgespielt, und Stößl, der streng zwischen<br />
Arbeit, Kunst und «reiner Comö<strong>di</strong>spielerey» (I, 2) unterscheidet,<br />
bringt den Konflikt zwischen Bürgertum und Theater auf den Punkt: «Ich<br />
beglück’ eine Famili und ruinier’ eine Comö<strong>di</strong>» (I, 11) 42 . Damisch, sein<br />
41 HKA: Stücke 33, S. 14.<br />
42 Ebd., S. 8 und 24.