Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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Reinhard Urbach<br />
Ein Beispiel <strong>di</strong>eses anhaltenden negativen Urteils möchte ich doch einfügen,<br />
weil es in einem paradoxen Kontext steht. Eines der wichtigsten<br />
Bücher für mein Thema ist 1788 erschienen. Auf dem Höhepunkt der<br />
theoretischen Grundlegung des realistischen Theaters, zu Beginn der<br />
Entwicklung der Weimarer Klassik schrieb Karl Friedrich Flögel <strong>di</strong>e «Geschichte<br />
des Grotesk-Komischen» als abschließende historische Beschreibung<br />
und Aufarbeitung einer offensichtlich erle<strong>di</strong>gten Theaterform.<br />
Der Begriff hielt sich, sank ins Vokabel-Reservoir der Tageskritik ab<br />
und geisterte folglich in den Berichten über <strong>Nestroy</strong>s Aufführungen als<br />
Bekräftigung eines abzulehnenden Zustands herum. Aber wir gehen davon<br />
aus, daß <strong>Nestroy</strong> umgekehrt <strong>di</strong>esen Begriff als genaue Beschreibung<br />
seiner Absicht verstand.<br />
Grotesk-komisch, das wollte er sein. Im Zuge des Historismus, der in der<br />
Nachfolge Hegels keine ästhetische Theorie unaufgearbeitet ließ, kam es<br />
zu einer Wiederentdeckung Flögels. Nicht etwa, um das Grotesk-Komische<br />
zu rehabilitieren, sondern im Gegenteil, um zeitgenössische Verirrungen<br />
mit Hilfe des Flögelschen Instrumentariums zu verunglimpfen. So<br />
auch <strong>Nestroy</strong>.<br />
1862 – noch vor <strong>Nestroy</strong>s Tod – erschien Flögels Geschichte «neu bearbeitet<br />
und erweitert von Dr. Friedrich W. Ebeling» in Leipzig. Über<br />
<strong>Nestroy</strong> heißt es da:<br />
Unter seinen Händen machte <strong>di</strong>e Posse eine Schwenkung zur äußersten<br />
Gemeinheit, und es ist ein trauriges Zeichen, daß jede neue<br />
Posse von ihm für das Publikum ein Ereigniß war und eine Menge<br />
jüngerer Nachahmer sich fand, bemüht, dem Meister seinen schmutzigen<br />
Kranz zu entreißen. Was <strong>Nestroy</strong> aus der Posse gemacht hat,<br />
ist sie im Durchschnitt noch heute, und in <strong>di</strong>e Entrüstung, welcher<br />
der Aesthetiker Vischer Ausdruck verliehen, können wir nur einstimmen.<br />
«Er verfügt», sagt er im zweiten Hefte der neuen Folge<br />
seiner “kritischen Gänge” von <strong>Nestroy</strong>, «über ein Gebiet von Tönen<br />
und Bewegungen, wo für ein richtiges Gefühl der Ekel, das Erbrechen<br />
beginnt. Wir wollen nicht <strong>di</strong>e thierische Natur des Menschen,<br />
wie sie sich just auf dem letzten Schritte zum sinnlichsten Genuß<br />
geberdet, in nackter Blöße vor’s Auge gerückt sehen, wir wollen es<br />
nicht hören, <strong>di</strong>es kothig gemeine Eh! und Oh! des Hohnes, wo immer<br />
ein edleres Gefühl zu beschmutzen ist, wir wollen sie nicht vernehmen<br />
<strong>di</strong>ese stinkenden Witze, <strong>di</strong>e zu errathen geben, daß das innerste<br />
Heiligtum der Menschheit einen Phallus verberge.» Leider haben<br />
gerade <strong>di</strong>e verwerflichsten <strong>Nestroy</strong>’schen Stücke auch auf nord-