Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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32<br />
Jürgen Hein<br />
theatralen Prozeß eingebunden hat und daher kopieren lassen hat,<br />
dann verleugnen wir meiner Meinung nach den synästhetischen Charakter<br />
des Theaters und <strong>Nestroy</strong>s Sanktionierung der Kopien durch<br />
sein Mittragen <strong>di</strong>eser Tra<strong>di</strong>tionen und Konventionen. 23<br />
Texte, <strong>di</strong>e der Autor nur für sich geschrieben hat, z.B. Notizen und<br />
Konzepte des szenisch «Erdachten» oder auch Einfälle, <strong>di</strong>e z.T. in anderen<br />
Stücken Verwendung fanden als in dem, an dem er gerade arbeitete,<br />
haben einen anderen Status als <strong>di</strong>e “fertigen” Theatertexte für <strong>di</strong>e Kopisten.<br />
Die Reinschrift stellt dabei nicht einmal <strong>di</strong>e Endfassung dar, da der<br />
Text zuerst <strong>di</strong>e Zensur passieren mußte und darüber hinaus auf dem<br />
Theater verändert worden sein kann. Von besonderem Interesse sind daher<br />
<strong>di</strong>e Theatermanuskripte fremder Hand (u.a. Zensur-, Soufflier- und<br />
Rollenbücher).<br />
<strong>Nestroy</strong>s Originalität beweist sich in der schöpferischen Bearbeitung<br />
der Vorlagen; Yates spricht von «Creative adaption» 24 . <strong>Nestroy</strong> «erfindet<br />
das Gefundene», wie Karl Kraus es ausgedrückt hat25 , im Transformationsprozeß<br />
den Gattungsspielraum voll ausnutzend, und zwar nach allen<br />
“Regeln der (Possen-)Kunst”, dabei im Brechtschen Sinne den «Materialwert»<br />
der Vorlage nutzend26 . In <strong>di</strong>esem Zusammenhang erhellt <strong>di</strong>e Modernität<br />
<strong>Nestroy</strong>s in der Wahrnehmung und Darstellung einer sich rasant<br />
verändernden Wirklichkeit, auch mit Elementen des epischen Theaters,<br />
insofern darf man ihn in <strong>di</strong>e Nähe Brechts rücken27 . Er geht dabei einen<br />
eigenen Weg zwischen Tra<strong>di</strong>tion und Moderne.<br />
Daß der Possenunterhaltung eine “epische” Distanz, eine eigene Realitätskonstitution<br />
und Wirkungs<strong>di</strong>mension eignet, wurde trotz des Versuchs,<br />
sie Regeln zu unterwerfen und zur dramatischen Kunst zu veredeln,<br />
schon früh erkannt28 . Bäuerle hebt das “doppelte Lachen”, verschiedene<br />
Grade von Täuschung und “Wahrscheinlichkeit” der Handlung hervor,<br />
23 Ebd., S. 136.<br />
24 W. Edgar Yates: <strong>Nestroy</strong>. Satire and Parody in Viennese Popular Comedy. Cambridge<br />
1972, S. 120-148.<br />
25 Karl Kraus: <strong>Nestroy</strong> und <strong>di</strong>e Nachwelt. In: Die Fackel, Nr. 349/50, 1912, S. 1-23,<br />
Zitat S. 7.<br />
26 Vgl. Bertolt Brecht: Schriften zum Theater. Bd. 1. Frankfurt a.M. 1963, S. 80 ff.<br />
27 Vgl. Hinweise in: Jürgen Hein: <strong>Nestroy</strong>’s “Epic” Theatre, a.a.O. (wie Anm. 1).<br />
28 Vgl. Jürgen Hein: «Eine Posse sehen, heißt für den Gebildeten gleichsam Lotterie<br />
spielen». Produktions- und Wirkungsbe<strong>di</strong>ngungen der Wiener Posse im internationalen<br />
Kontext. In: Unterhaltungstheater in Deutschland, Geschichte – Ästhetik – Ökonomie.<br />
Hrsg. von Wolfgang Jansen. Berlin 1995, S. 29-53.