Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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Reinhard Urbach<br />
<strong>Nestroy</strong> als Lips tritt in der fünften Szene erstmals auf und hält zunächst<br />
<strong>di</strong>e Handlung an, <strong>di</strong>e aller<strong>di</strong>ngs ohne<strong>di</strong>es schon zu <strong>di</strong>esem frühen<br />
Beginn fast zum Erliegen gekommen war.<br />
Gluthammer hat seine Lebens- und Liebesgeschichte erzählt. Wären<br />
wir wirklich daran interessiert, dass er seine Mathilde wiederfindet und<br />
bemerkt, dass sie ihm nicht geraubt wurde, sondern entlaufen ist? Wir<br />
vermuten es, müssen wir es auch bestätigt bekommen?<br />
Kathi muss nur noch ihre Schuld begleichen, bevor sie in den Dienst<br />
beim Pächter Krautkopf heimkehrt.<br />
Was haben wir, <strong>di</strong>e Zuschauer, noch zu erwarten, was wir nicht schon<br />
wüssten?<br />
Wir haben erfahren, dass der Herr des «eleganten Gartenpavillons» ein<br />
reicher Erbe ist; dass er seine stän<strong>di</strong>gen Gäste großzügig bewirtet; dass er<br />
sich beim Zechen nicht zurückhält, was seinen Trübsinn jedoch nicht aufhellt;<br />
dass er der wilden Natur schwärmerisch zugetan ist, weshalb er sich<br />
den Ausblick auf den reißenden Fluss bequemer gestalten lässt; dass er<br />
auch aushilft, wenn andere in Not sind, ohne auf der Rückerstattung der<br />
geliehenen Summe zu bestehen. Wir wissen vieles über ihn, wir müssen<br />
ihn nur noch kennenlernen.<br />
Lips kommt auf <strong>di</strong>e menschenleere Bühne. Es folgt sein Auftrittslied.<br />
Aus unzähligen ähnlichen Fällen weiß das Publikum der Wiener Komö<strong>di</strong>e,<br />
dass sich der Hauptdarsteller nun präsentiert.<br />
«Der Vogelfänger bin ich ja» – so führt sich Papageno in der Zauberflöte<br />
ein.<br />
«Ich bin der liebe Florian, / So heißen mich <strong>di</strong>e Leut’», so stellt sich<br />
Florian Waschblau in Fer<strong>di</strong>nand Raimunds Der Diamant des Geisterkönigs<br />
vor, indem er bestrebt ist, <strong>di</strong>e Sympathie, <strong>di</strong>e man ihm entgegenbringen<br />
sollte, außer Zweifel zu setzen.<br />
Lips wählt einen anderen Einstieg. Er beginnt nicht mit «ich bin», sondern<br />
mit «ich hab».<br />
«Ich hab Vierzehn Anzüg’» 23 . Die Be<strong>di</strong>ngung des Seins durch das Haben<br />
wird von Anfang an klargestellt. Sein Reichtum hat seinen Gemütszustand<br />
nachhaltig beeinflusst. Weil er sich alles leisten kann, gibt es kein<br />
Risiko, das er scheuen, keinen Schicksalsschlag, den er fürchten müsste.<br />
Überdruß aus Überfluß hieß <strong>di</strong>e gleichzeitige Übertragung des Vaudevilles<br />
23 Ebd., S. 34. (Mit drei Anzügen dürften in der Regel gutsituierte Wiener Bürger ihr<br />
Auslangen gefunden haben.)