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Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...

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Die <strong>Nestroy</strong>-Polemik des deutschen Vormärz<br />

Raimund, Österreichs genialster Dichter, hat sich zurückgezogen<br />

von <strong>di</strong>esem eleganten und großartigen Stalle. [...] <strong>Nestroy</strong> bringt zwar<br />

zuweilen eine dramatische Arbeit, <strong>di</strong>e ein besseres Ansehen hat; aber<br />

sein Talent ist auch nichts mehr, als eine kleine Blume auf einem<br />

großen Misthaufen. Man muß Wüsten voll Trivialitäten durchwandern,<br />

bis man zu einer kleinen Oase gelangt, und auch auf <strong>di</strong>eser sind<br />

Witz und Poesie schon ziemlich verdorrt. <strong>Nestroy</strong> ist kein<br />

Volks<strong>di</strong>chter, sondern ein Pöbel<strong>di</strong>chter. [...] Raimund ist ein Dichter,<br />

auch seine phantastischen Gestalten hat <strong>di</strong>e Wahrheit geküßt und ihnen<br />

Fleisch und Blut gegeben, und wie weit auch seine Phantasie in<br />

den Himmel und in das Endlose hinausgreift, niemals schrecken uns<br />

Hoffmann’sche Spukgebilde oder <strong>di</strong>e bleichen Schatten Ossians. [...]<br />

Raimunds Allegorien amalgamieren sich auf reizende Weise mit dem<br />

Volksleben und sind ganz geeignet, den Sinn der Zuschauer für das<br />

Schöne empfänglich zu machen, sie zu erheben, herauszureißen aus<br />

dem Jammer der Alltäglichkeit, um so mehr aber, als selbst durch<br />

seine skizzenhaftesten Bilder ein geistiger Faden geht, der <strong>di</strong>e einzelnen<br />

Teile zu einem schönen Ganzen verbindet. 13<br />

Dieser Text weist Argumente auf, <strong>di</strong>e fast wörtlich bei Theoretikern wie<br />

Otto Ludwig, Julian Schmidt und Paul Heyse und bei Praktikern wie<br />

Gottfried Keller und Theodor Storm, ja noch bei Theodor Fontane wiederkehren.<br />

Sie demonstrieren – bei allen Unterschieden im Einzelnen – ein<br />

Kunstverständnis, das den Anspruch auf Schönheit in der Wirklichkeitsabbildung<br />

nicht preisgibt. Aber damit habe ich vorgegriffen. Wir gehen<br />

wieder zurück und ergänzen unseren Befund in Bezug auf <strong>Nestroy</strong><br />

und Raimund.<br />

In der Forschung ist <strong>di</strong>e Meinung geäussert worden, der in Wien zu einer<br />

journalistischen Grossmacht aufgestiegene Moritz Gottlieb Saphir sei<br />

der Urheber der gegen <strong>Nestroy</strong> gerichteten massiven Feindseligkeiten gewesen.<br />

Das bewahrheitet sich nicht. Dingelstedt zum Beispiel hat 1837<br />

kaum bei Saphir abgeschrieben. Denn Saphir wurde erst 1837 Herausgeber<br />

der Zeitschrift Der Humorist, und noch am 20. November jenes Jahres<br />

erschien dort eine grosse Lobeshymne auf <strong>Nestroy</strong>s Haus der Temperamente,<br />

<strong>di</strong>e seinen Realismus betonte14 . Wie August Sauer gezeigt hat, war übri-<br />

13 Adolf Glaßbrenner: Bilder und Träume aus Wien. Erster und zweiter Band. Leipzig:<br />

Friedrich Volckmar 1836, zit. nach der Ausgabe Berlin: Nikola 1922, S. 217-219.<br />

14 Der Humorist. 20. November 1837, gezeichnet mit «ch l»; vgl. W. Edgar Yates:<br />

<strong>Nestroy</strong>. Satire and Parody in Viennese Popular Comedy. Cambridge 1972, S. 65.<br />

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