Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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42<br />
Jürgen Hein<br />
Heiterkeit heraus» fahren, wie Edelschein in Die Anverwandten (1848) bemerkt<br />
47 .<br />
In das vielfältige Rollenspiel ist <strong>di</strong>e Biographie <strong>Nestroy</strong>s einbezogen; es<br />
stellt Versuche der Findung von in<strong>di</strong>vidueller Identität und gesellschaftlicher<br />
Rolle dar. Die Selbstspiegelung des Berufsalltags eines Theatermenschen<br />
verbindet sich gleichermaßen mit biographischen Zügen und Possenelementen<br />
und bildet den Untergrund einer sich aus der Biographie entwickelnden<br />
Rollengeschichte. Etwas überakzentuiert meint Ernst Fischer: «Er<br />
lehnte es ab, privat ein eigenes Gesicht zu haben, denn hundert Masken waren<br />
seine Wirklichkeit» 48 . Zeit seines Lebens schwankt <strong>Nestroy</strong> zwischen einem<br />
soliden bürgerlichen Leben als Ehemann, Familienvater und galanten<br />
Abenteuern, <strong>di</strong>e er nach der Dramaturgie ablaufen läßt, <strong>di</strong>e der seiner Stücke<br />
ganz ähnlich ist, welche gerade <strong>di</strong>e Verlogenheit des bürgerlichen Liebes- und<br />
Ehelebens in immer neuen Variationen darstellen. Zwirns (Der böse Geist Lumpazivagabundus)<br />
«Bangigkeit» kann man vielleicht auf seinen Autor selbst beziehen<br />
49 . Die Leben und Theater verbindenden Motive “Geld” und “Liebe”, das<br />
Theater als Arbeitsplatz und Stätte des Sich-Auslebens, Häuslichkeit und Liebesfreiheit,<br />
Kontrolle durch «<strong>di</strong>e Frau» und “heimliches Geld”, Erfüllung bürgerlicher<br />
Normen und ästhetische, aggressive Befreiung in Witz und Spiel,<br />
Schüchternheit und narzißtische Ichbezogenheit, geordnete Lebensführung<br />
und Rolle von «Zufall» und «Schicksal» sind wesentliche Aspekte einer durch<br />
<strong>di</strong>e Theaterwelt geprägten Persönlichkeit. <strong>Nestroy</strong>s Alterswerk greift immer<br />
wieder auf Themen und Milieu <strong>di</strong>eses ihm bestens bekannten Metiers zurück.<br />
Die Theaterwelt – seine Welt, auch als Direktor steht er wöchentlich vier- bis<br />
fünfmal auf der Bühne – verbindet fast übergangslos Biographie, Realität und<br />
Fiktion, gesellschaftliches und künstlerisches Rollenspiel. Sowohl im Blick auf<br />
<strong>di</strong>e zeitgenössische Rezeption wie aus heutiger Perspektive muß aber letztlich<br />
<strong>di</strong>e Frage unbeantwortet bleiben, ob und in welcher Weise <strong>Nestroy</strong> auch als<br />
reale Person in der jeweiligen Rolle agiert hat.<br />
47 HKA: Stücke 25/II, S. 73.<br />
48 Ernst Fischer: <strong>Johann</strong> <strong>Nestroy</strong>, a.a.O. (wie Anm. 11), S. 165.<br />
49 HKA: Stücke 5, S. 182: «Ich habe eine Herzensangst in mir, eine Bangigkeit»; vgl.<br />
auch S. 148.