Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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Walter Obermaier<br />
Am 7. Dezember 1826 schrieb Fer<strong>di</strong>nand Raimund bei Übersendung<br />
seines Stückes Das Mädchen aus der Feenwelt oder der Bauer als Millionär an einen<br />
Prager Theater<strong>di</strong>rektor:<br />
Ich hoffe[,] daß <strong>di</strong>e Vorsicht welche ich in meinen Stücken gegen <strong>di</strong>e<br />
Wiener Censur beobachte, mir auch das Vertrauen der v. Prager erwerben<br />
wird, denn meine Stü[c]ke kommen beynahe so unverändert<br />
aus den Händen der Censur, wie sie eingesendet werden. 3<br />
Einige Monate zuvor war <strong>Nestroy</strong>, der seine darstellerische Laufbahn<br />
1822 als Sarastro in Mozarts Die Zauberflöte an der Hofoper begonnen<br />
hatte, 1823 bis 1825 am Deutschen Theater in Amsterdam und seither als<br />
Sänger und Schauspieler in Brünn engagiert war, überraschend aus dem<br />
dortigen Engagement entlassen worden. In seinem “Theatertagebuch”<br />
verzeichnet er Ende April 1826:<br />
Ich tratt <strong>di</strong>esen Abend, ohne es zu wissen, zum letzten Mahl in<br />
Brün[n] auf, wiewohl ich noch 11 Monathe Contract hatte. Ich<br />
wurde nehmlich den 30ten Aprill zur Polizey citiert, und es kam <strong>di</strong>e<br />
Entscheidung daß, infolge meiner Erklärung vermöge welcher ich<br />
mir das Extemporieren nicht verbiethen lasse mein Contract annuliert<br />
sey. 4<br />
Extemporieren, also das Sprechen von im bewilligten Zensurbuch nicht<br />
enthaltenen, oft aus dem Stegreif formulierten Textpassagen auf der<br />
Bühne, war bei Strafe untersagt und traf zuerst einmal <strong>Nestroy</strong> als Schauspieler.<br />
Die Zensur im allgemeinen und <strong>di</strong>e Theaterzensur im besonderen<br />
wurde aber vor allem für den Autor <strong>Nestroy</strong> zu einem wesentlichen Faktor,<br />
der seine literarische Produktion mitbestimmte.<br />
Es gehört zu den Widersprüchlichkeiten der Literatur- und Kulturgeschichte,<br />
daß gerade <strong>di</strong>e als Zeit des härtesten Geistesdrucks empfundene<br />
Epoche des Vormärz auch <strong>di</strong>e einer Hochblüte der österreichischen Literatur<br />
war. Franz Grillparzer wurde zum klassischen Dramatiker Österreichs<br />
schlechthin und mit Nikolaus Lenau trat ein bedeutender Lyriker<br />
auf den Plan. Dazu kamen Anton Graf Auersperg mit seinen kritisch-politisch<br />
orientierten Ge<strong>di</strong>chten und Versepen, <strong>di</strong>e er aller<strong>di</strong>ngs unter dem<br />
3 Fer<strong>di</strong>nand Raimund: Brief an <strong>Johann</strong> <strong>Nepomuk</strong> Stepanek, Wien, 7. Dezember<br />
1826. In: Fer<strong>di</strong>nand Raimund: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Säkularausgabe.<br />
Hrsg. von Fritz Brukner und Eduard Castle. Wien 1926, 4. Band, S. 353f.<br />
4 <strong>Nestroy</strong>s eigenhän<strong>di</strong>ges Rollentagebuch, Wiener Stadt- und Landesbibliothek – Handschriftensammlung,<br />
Signatur: H.I.N. 135.821.