Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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Die <strong>Nestroy</strong>-Polemik des deutschen Vormärz<br />
und skan<strong>di</strong>navischen Autoren seien nur «documents humains», jedoch<br />
«keine Kunstgebilde» 50 .<br />
Wie nahe solche Urteile bis nach der Jahrhundertwende der deutschen<br />
<strong>Nestroy</strong>-Kritik verwandt waren, könnten viele Zeugnisse zeigen. Ich zitiere<br />
nur noch deren zwei. Jacob Zeitler meinte 1907:<br />
<strong>Nestroy</strong> war kein Dichter. Weder <strong>di</strong>e Liebe noch <strong>di</strong>e Natur, <strong>di</strong>e<br />
Hauptgrundlagen von Raimunds Poesie, riefen in dem kalten Verstandesmenschen<br />
tiefgreifende Wirkungen hervor. 51<br />
Und noch 1912, im Jahr des Erscheinens des grossen <strong>Nestroy</strong>-Plädoyers<br />
von Karl Kraus, erklärte Wilhelm Kosch, <strong>Nestroy</strong> sei «unkünstlerisch<br />
schonungslos» 52 .<br />
III<br />
Das sollte genügen. Wir kommen zum dritten Teil und nähern uns<br />
dem Ende. Die Gründe, warum <strong>di</strong>e «Nordlichter» Raimund lobten und<br />
<strong>Nestroy</strong> ablehnten, scheinen klarer geworden. Wenn es das Bestreben des<br />
poetischen Realismus war, einen Sinnzusammenhang innerhalb der dargestellten<br />
Wirklichkeit zu gestalten, was Raimunds noch vom Gedanken der<br />
Theo<strong>di</strong>zee bestimmtem Ideal entsprach, so war es vielmehr das Bestreben<br />
<strong>Nestroy</strong>s, <strong>di</strong>e Zufälligkeit, das absurd Kontingente, nur Dumme oder nur<br />
Profitorientierte der Handlungen seiner Figuren blosszustellen. Wo <strong>di</strong>e<br />
poetischen Realisten abrundeten und Totalität in der Gegenwart oder<br />
doch für <strong>di</strong>e Zukunft ahnen liessen, produzierte er so erzwungene Happy<br />
Ends, dass jedermann sehen konnte, das sei «nur Theater». Ihr Vertrauen<br />
in naturgemässe Verhältnisse in Ehe, Familie, Arbeitswelt und Staat teilte<br />
er nicht. Er warf auf sie einen mehr als nur skeptischen Blick. Das hat erschreckt.<br />
Im Gegensatz zu Rommel würde ich meinen, <strong>di</strong>e deutsche<br />
<strong>Nestroy</strong>-Kritik sei weniger aus einer «Perspektive der Herablassung» erfolgt<br />
als vielmehr aus einer Perspektive der Angst. Diese Angst aber betraf<br />
ihr eigenes Weltbild und ihre eigene Poetik53 . In Wien demonstrierte ein<br />
50 Friedrich Spielhagen: Neue Beiträge zur Theorie und Technik der Epik und Dramatik.<br />
Leipzig: Staackmann 1898, S. 89.<br />
51 Jacob Zeitler: Die Grundlagen von <strong>Johann</strong> <strong>Nestroy</strong>s literarische Eigenart und<br />
Weltanschauung. In: Die Kultur 8 (1907), Heft 4, S. 444.<br />
52 Wilhelm Kosch. In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht 26 (1912), S. 22.<br />
53 Vgl. dazu <strong>di</strong>e interessante Realismus-Stu<strong>di</strong>e von Hermann Korte mit Analysen zu<br />
Otto Ludwig, Theodor Fontane und Theodor Storm, welche feststellt, «dass bei der Geburtsstunde<br />
des Realismus nicht <strong>di</strong>e befreiende Inbesitznahme, <strong>di</strong>e überlegene Inventa-<br />
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