Johann Nepomuk Nestroy Tradizione e trasgressione a cura di ...
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Sigurd Paul Scheichl<br />
man auf einem Landgut schwer so sprechen kann wie in Tauris oder am<br />
Londoner Hof.<br />
Die Verfahrensweise der Paro<strong>di</strong>e, <strong>di</strong>e so vielen Stücken von <strong>Nestroy</strong><br />
zugrunde liegt (vielfach den frühen, aber noch Tannhäuser und Lohengrin),<br />
könnte man also, sicher etwas zugespitzt, als den grundsätzlichen Ansatz<br />
seiner Satire deuten. Gewiss ergibt sich der Effekt seiner Stücke aus einer<br />
Ad<strong>di</strong>tion dessen, was in der Quelle schon gestanden hat, und seinen Zutaten<br />
– aber <strong>di</strong>ese, <strong>di</strong>e eben immer wieder paro<strong>di</strong>stisch sind, lassen <strong>di</strong>e<br />
eigentliche Zielrichtung der Satire von <strong>Nestroy</strong> erkennen: <strong>di</strong>e Aggression<br />
gegen eine Sprachkultur, <strong>di</strong>e «Flora» für schön hält und <strong>di</strong>esen Namen<br />
deshalb auch einem neugebornenen Sprössling der Familie Baumscheer<br />
gibt.<br />
* * *<br />
Das wäre ein passender Schlusssatz; ich brauche leider noch einen anderen.<br />
Da wir kaum Selbstzeugnisse von <strong>Nestroy</strong> haben, können wir nicht<br />
wissen, ob er selbst <strong>di</strong>e Zielrichtung seiner Satire so verstanden hat. Da es<br />
in den zeitgenössischen Kritiken wenig Hinweise auf ein solches Verständnis<br />
seiner Werke gibt, mag man sogar annehmen, <strong>Nestroy</strong> habe zwar<br />
<strong>di</strong>e sprachliche Sensibilität gehabt, <strong>di</strong>e notwen<strong>di</strong>g ist, um <strong>di</strong>ese Brüche<br />
zwischen der “Rede” und ihrem «Fey’rtagsg’wandl» zu bemerken und zu<br />
gestalten, habe aber über <strong>di</strong>e satirischen Möglichkeiten <strong>di</strong>eser Einsicht<br />
nicht reflektiert, sondern sie “nur” praktiziert. Möglicher Weise hat erst<br />
<strong>di</strong>e redekritische Tra<strong>di</strong>tion des 20. Jahrhunderts den <strong>Nestroy</strong>-Rezipienten<br />
nach Kraus den Zugang zu <strong>di</strong>esem eigentlichen Objekt von <strong>Nestroy</strong>s satirischer<br />
Aggression eröffnet.<br />
Es bedeutet keine Geringschätzung seines scharfen Intellekts, wenn<br />
wir für uns beanspruchen, seine Satire besser zu verstehen als er selbst;<br />
eben deshalb ist er so modern36 .<br />
36 Anregungen aus der Diskussion habe ich dankbar eingearbeitet.