Innere Sicherheit
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Seite 146<br />
PSB<br />
eine Schadenssumme "von mindestens 30-35 Mrd. DM". 442 Bei vielen dieser so genannten Prognosen<br />
handelt es sich freilich um bloße Spekulationen, in denen weder die Schätzbasis noch das Schätzverfahren<br />
mitgeteilt werden können.<br />
Für den Zeitraum bis 1994 lassen sich der PKS zwar erhebliche Schwankungen der absoluten wie der<br />
Häufigkeitszahlen entnehmen, die vor allem auf einzelnen Ermittlungsvorgängen mit zahlreichen Einzelfällen<br />
beruhen. Es zeigt sich aber kein eindeutigen Trend in Richtung Anstieg (vgl. Tabelle 2.4-1). Erst<br />
seit Mitte der neunziger Jahre sind die (absoluten und relativen) Fallzahlen deutlich angestiegen, freilich<br />
erneut mit erheblichen Schwankungen. Da im Vergleichszeitraum die Häufigkeitszahlen für Straftaten<br />
insgesamt relativ konstant geblieben sind, hat sich der Anteil der Wirtschaftskriminalität an der gesamten,<br />
polizeilich registrierten Kriminalität erhöht. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre lag er noch unter 1%,<br />
derzeit liegt er bei 1,7%. Das Bundeskriminalamt betont deshalb zu Recht den starken Einfluss einiger<br />
weniger Ermittlungsverfahren mit einer Vielzahl von Einzelfällen. Dieser Anstieg beruht weitgehend auf<br />
der allgemeinen Entwicklung beim Betrug. Insolvenzstraftaten und Wettbewerbsdelikte haben zwar deutlich<br />
zugenommen, wegen ihres insgesamt niedrigen Niveaus hat dies aber nur geringe Auswirkungen auf<br />
die Gesamtzahlen. Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit Beteiligungen und Kapitalanlagen ist<br />
sogar deutlich rückläufig. Dies zeigt, dass - jedenfalls im Hellfeld - keine gleichgerichtete Entwicklung<br />
besteht.<br />
Aus diesen Zahlen über polizeilich registrierte Wirtschaftskriminalität kann nicht auf eine entsprechende<br />
Veränderung im Dunkelfeld geschlossen werden. Umfang und Entwicklung der Wirtschaftskriminalität<br />
sind nicht nur davon abhängig, was tatsächlich geschieht, sondern auch, was angezeigt oder der Polizei<br />
durch eigene Ermittlungstätigkeit bekannt wird. Ein Rückschluss würde voraussetzen, dass, abgesehen<br />
von der Wirtschaftskriminalität selbst, alle anderen Faktoren über die Zeit hinweg unverändert geblieben<br />
sind. Diese Annahme ist nicht berechtigt. In den letzten Jahren stattgefundene Neuorganisationen auf<br />
Länderebene mit dem Ziel, überregional handelnden, spezialisierten Tätern überregional handelnde, spezialisierte<br />
polizeiliche Organisationseinheiten entgegenzusetzen, 443 sind unzweifelhaft auch erfolgreich.<br />
Erfolg heißt hier aber auch: Anstieg der Fallzahlen.<br />
2.4.4 Qualitative Bedeutung der Wirtschaftskriminalität<br />
2.4.4.1 Materielle Schäden durch Wirtschaftskriminalität<br />
Kennzeichnend für Wirtschaftskriminalität soll ihre hohe Sozialschädlichkeit sein, insbesondere wegen<br />
der Höhe der durch sie verursachten materiellen Schäden. Wie zum Umfang der Wirtschaftskriminalität,<br />
so fehlen aber auch diesbezüglich verlässliche Angaben. Anfang der siebziger Jahre wurde z. B. für die<br />
Bundesrepublik Deutschland der jährliche materielle Schaden auf 15-20 Mrd. DM, teilweise sogar auf bis<br />
zu 55 Mrd. DM geschätzt. Würden dieselben Schätzfaktoren, nämlich 10% des Bruttosozialprodukts, 444<br />
heute verwendet, käme man auf einen Betrag von 385 Mrd. DM. Andere Schätzungen gehen von 2% des<br />
Bruttosozialprodukts aus. 445 Diese Global-Schätzungen sind weder hinsichtlich der Höhe noch hinsichtlich<br />
des behaupteten Anstiegs der Schadenssummen hinreichend begründet; es handelt sich um "Spekulationen"<br />
446 . Entsprechend große Varianz findet sich auch bei den Schadensschätzungen zu einzelnen Wirt-<br />
minalität um den Faktor 7,5 ansteigen müssen, also nicht um 20-25%, sondern um mehr als 600%, um auf den von WITTKÄMPER,<br />
G. W. u. a. geschätzten Anteil von 7% zu kommen.<br />
442<br />
Hierbei stützten sich die Autoren auf eine schriftliche Befragung von Polizei- (n=115, 43%) und Justizangehörigen (n=8,<br />
12%), Politik/Verwaltung (n=19; 15%), Wirtschaft (n=4; 5%) und Wissenschaft (n=5; 12%). Die (in Klammern jeweils angegebene,<br />
vgl. WITTKÄMPER, G. W. u. a., 1996, S. 159 ff.) Zahl der auswertbaren Fragebogen und die Rücklaufquote waren indes so<br />
niedrig, dass hierauf gestützt keine empirisch begründete Aussage erstellt werden konnte.<br />
443<br />
Vgl. BERTHEL, R., 1998, S. 61.<br />
444<br />
Vgl. ZYBON, A., 1972, S. 32.<br />
445<br />
Vgl. POERTING, P., 1981, S. 111; ihm folgt SCHWIND, H.-D., 2001, § 21 Rn. 9.<br />
446<br />
DANNECKER, G., 2000, Rn. 15.