Innere Sicherheit
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Seite 292<br />
wissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SOWI) hat bislang keine wissenschaftliche Untersuchung zu<br />
Rechtsextremismus in der Bundeswehr durchführen können. Wie der Parlamentarische Untersuchungsausschuss<br />
berichtet, "gewinne (das SOWI) seine Erkenntnisse aus den Bevölkerungsumfragen und gehe<br />
davon aus, dass die Bundeswehr dasselbe Spektrum zeige wie die Gesamtbevölkerung" 918 . Hier sind<br />
Fragezeichen angebracht: Immerhin ist bekannt, welche Faszination Militär und Waffen auf Rechtsextreme<br />
ausüben. Ob es immer gelingt, diese Personen in Einstellungsgesprächen und Tests sowie weiteren<br />
umfangreichen Maßnahmen durch die jeweiligen Einstellungsbehörden herauszufiltern, ist bei der hohen<br />
Zahl von Einstellungen offen.<br />
Für alle genannten Felder besteht erheblicher Forschungsbedarf, da die öffentliche Diskussion von spektakulären<br />
Einzelfällen bestimmt wird, deren Verallgemeinerungsfähigkeit gegenwärtig nicht abgeschätzt<br />
werden kann.<br />
2.10.3.7 Erklärungsmuster fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Gewalt<br />
Die theoretische Debatte zur Erklärung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus ist entsprechend<br />
der Komplexität des Gegenstandsbereichs nach wie vor durch heterogene und konkurrierende<br />
Ansätze gekennzeichnet. Ohne damit den Anspruch erheben zu wollen, die Vielzahl aller Thesen und<br />
Argumente abbilden zu können, sind hier vier Ansätze hervorzuheben:<br />
An erster Stelle ist hier die Sozialisationshypothese zu nennen, die davon ausgeht, dass der Grund für<br />
Gewaltbereitschaft und Fremdenhass in konfliktreichen und defizitären Familienbeziehungen entsteht. 919<br />
Dabei steht die These im Vordergrund, dass „die kognitive und emotionale Verarbeitung von Beziehungserfahrungen<br />
bei der Herausbildung von Gewaltneigungen und rechtsextremen Orientierungen eine<br />
wichtige Rolle spielt“ 920 . Insbesondere die geschlechtsspezifische Sozialisation junger Männer steht dabei<br />
im Vordergrund des Interesses. 921 Entsprechende psychodynamische Entwicklungen sind vermutlich bei<br />
"rechter" Gewaltbereitschaft verbreiteter als bei linker 922 , können sich freilich auch in „linken“ Kampfund<br />
Gewaltneigungen äußern, wie es zumindest eine Untersuchung über gewaltaffine Videofans nahe<br />
legt. 923 Auch Fremdenfurcht und Fremdenfeindlichkeit, die nicht notwendig gewaltbereit ist, wird im<br />
Zusammenhang mit familialer Sozialisation gesehen. Autoritäre und/oder inkonsistente Erziehung kann<br />
Dispositionen zur Vorurteilsbildung erzeugen, die sich angesichts wahrgenommener verschärfter Konkurrenz<br />
mit Zuwanderern auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Zuge der Globalisierungs- und Standortdiskussion<br />
aktualisieren. 924<br />
An zweiter Stelle ist hier der Desintegrationsansatz zu nennen. 925 Im Zentrum dieses Ansatzes steht die<br />
Hypothese, dass vor dem Hintergrund fortschreitender Modernisierungsprozesse (insbesondere die zunehmende<br />
Marktförmigkeit sozialer Beziehungen und kultureller Muster) sich alltagsweltliche, von Generation<br />
zu Generation tradierte Milieus mit ihren je eigenen Kommunikationsformen, ihren spezifischen<br />
Werten und Orientierungsangeboten und ihren typischen sozialen Beziehungen und Bindungen zunehmend<br />
auflösen. Der Bedeutungsverlust traditioneller Milieus (von sozialer Schicht, Nachbarschaft, Familie,<br />
Verwandtschaft und Arbeitsgruppen etc.) wird als soziale Desintegration beschrieben. Aus ihr resultieren<br />
Verunsicherungen in der Identitätsbildung und Lebensplanung, die für viele den Rückgriff auf vermeintlich<br />
klare und unabweisbare Zugehörigkeiten wie Abstammung und Nation nahe legen. In einer<br />
918<br />
Verteidigungsausschuss, 1998, S. 55.<br />
919<br />
Vgl. hierzu HOPF, C., 1995; KÖNIG, H. D., 1998; WAHL, K. und C. TRAMITZ, 2000.<br />
920<br />
HOPF, C. u. a., 1995, S. 129; siehe dazu auch WAHL, K. und C. TRAMITZ, 2000.<br />
921<br />
Siehe hierzu BIRSL, U., 1994; ROMMELSPACHER, B., 1999, die nicht individuelle Sozialisation als vielmehr die Muster einer<br />
männlichen Dominanzkultur im Auge hat; SILLER, G., 1997, MÖLLER, K. , 1993.<br />
922<br />
Vgl. ECKERT, R, 1996.<br />
923<br />
Vgl. WEIß, R. H., 1997.<br />
924<br />
Vgl. AHLHEIM, K. und B. HEGER, 2000.<br />
925<br />
Vgl. HEITMEYER, W., 1995; MÖLLER, K., 2000.<br />
PSB