Innere Sicherheit
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PSB Seite 153<br />
2.4.6.2 Staatsanwaltschaftliche Erledigungsstrukturen, insbesondere bei "besonderen<br />
Wirtschaftsstrafsachen"<br />
Hinsichtlich der Erledigung amtlich bekannt gewordener Wirtschaftskriminalität hat die Auswertung der<br />
BWE ergeben, dass der Ausgang des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in erster Linie durch<br />
tatbezogene Merkmale (Deliktsgruppe, Schadenshöhe, Rechtsform der Branche des Unternehmens) und<br />
durch Merkmale der Opfer (Zahl und Art, Verfahrensinitiative) bestimmt wurde.<br />
Anschluss- und Vertiefungsuntersuchungen 462 , die in den siebziger Jahren durchgeführt wurden, haben<br />
ergeben, dass sich - zumindest bei den Schwerpunktstaatsanwaltschaften - eigene Maßstäbe bei der Verfolgung<br />
durchsetzten. Während bei Schäden über 500 DM kein Fall des einfachen Diebstahls mehr eingestellt<br />
wurde, 463 wurden in Wirtschaftsstrafverfahren Verfahren mit weit höheren Schäden wegen Geringfügigkeit<br />
eingestellt. In einer Aktenanalyse von Wirtschaftsstrafverfahren wurde festgestellt, dass sich der<br />
durchschnittliche, festgestellte Gesamtschaden bei den gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellten Wirtschaftsstrafverfahren<br />
auf rd. 22.000 DM belief. 464<br />
Die Komplexität von Wirtschaftsstraftaten führt ferner dazu, dass in Wirtschaftsstrafverfahren besonders<br />
häufig "Absprachen" vorkommen. 465 Bei manchen Wirtschaftsstrafkammern soll die Quote der Absprachen<br />
bei über 80% liegen; 466 eine repräsentative empirische Untersuchung zur Praxis der Absprachen im<br />
Allgemeinen, in Wirtschaftsstrafverfahren im Besonderen gibt es jedoch nicht. 467<br />
Aktuelle Daten über die staatsanwaltschaftliche Erledigung enthält die StA-Statistik, allerdings nicht nach<br />
Delikten differenziert und beschränkt auf den Nachweis des Rechtsgrundes der Erledigung. Seit 1986<br />
wird in der StA-Statistik zusätzlich festgestellt, ob es sich um Ermittlungen in "besonderen Wirtschaftsstrafsachen"<br />
handelt. Die vergleichende Gegenüberstellung der Ermittlungsverfahren in "besonderen<br />
Wirtschaftsstrafsachen" mit allen anderen Ermittlungsverfahren, die nicht Wirtschaftsstrafsachen betreffen,<br />
zeigt für die Jahre 1989-1997 (vgl. Schaubild 2.4-1): 468<br />
- Der Anteil der Ermittlungsverfahren gegen bekannte Tatverdächtige in "besonderen Wirtschaftsstrafsachen"<br />
an allen Ermittlungsverfahren - ohne Wirtschaftsstrafsachen - ("allgemeine Verfahren")<br />
ist sehr gering. Er beträgt im Schnitt der alten Länder zwischen 0,8% und 0,5%; seit 1993<br />
gehen die Anteile kontinuierlich leicht zurück.<br />
- Die Anklagerate 469 betrug 1997 in "allgemeinen Verfahren" 35%, in Verfahren wegen "besonderer<br />
Wirtschaftsstrafsachen" noch weniger, nämlich 29%. In beiden Verfahrensgruppen ging die Anklage-<br />
462<br />
Vgl. BERCKHAUER, F., 1977; BERCKHAUER, F., 1981; KIEßNER, F., 1985; MEINBERG, V., 1985; SCHÖNHERR, R., 1985;<br />
SICKENBERGER, M., 1985.<br />
463<br />
Vgl. BLANKENBURG, E. u. a., 1978, S. 149, Tab. 13.<br />
464<br />
Vgl. MEINBERG, V., 1985, S. 119, Tab. 28, 30, 31. Werden noch die Verfahren berücksichtigt, bei denen die Schadenshöhe<br />
wegen der Komplexität der Fälle (auch im Schadensbereich) nicht genau festgestellt werden konnte, dann ergibt sich ein durchschnittlicher<br />
(geschätzter) Gesamtschaden der gem. § 153 Abs. 1 StPO eingestellten Verfahren von rd. 32.000 DM. Selbst wenn<br />
dieses Bild korrigiert wird, indem der "verzerrende" Einfluss der extrem hohen Schadenssummen außer Betracht bleibt, ist es -<br />
im Vergleich zur Einstellungspraxis bei "klassischen" Eigentums- und Vermögensdelikten - noch beeindruckend genug: 4.000<br />
DM (festgestellte) bzw. 6.000 DM geschätzte Durchschnittsschadenswerte bei einer Einstellung gem. § 153 Abs. 1 StPO.<br />
465<br />
Über den quantitativen Umfang der Absprachenpraxis generell bzw. in Wirtschaftsstrafverfahren ist nichts bekannt.<br />
466<br />
Vgl. SCHÜNEMANN, B., 1992, S. 368. Vgl. ferner die Nachweise bei GIEG, G., 2000, S. 1332 f.<br />
467<br />
Vgl. NESTLER, C., 2000, S. 100.<br />
468<br />
Die Ergebnisse der Ermittlungen in besonderen Wirtschaftsstrafsachen wurden ab 1986 im Rahmen der StA-Statistik erhoben.<br />
Wegen der zeitlich erst danach erfolgten Einführung der StA-Statistik in Berlin (1987), Hessen (1988) und Schleswig-Holstein<br />
(1989) und der erst Mitte der neunziger Jahre erfolgten Einführung in den neuen Ländern (Sachsen und Sachsen-Anhalt 1993,<br />
Brandenburg und Thüringen 1994, Mecklenburg-Vorpommern 1995) wurde der Vergleich auf die alten Länder ab 1989 beschränkt.<br />
Die 1998 erfolgte Erfassung von weiteren Sondersachgebieten führte zu Umstellungsschwierigkeiten in einigen Ländern. Für<br />
besondere Ermittlungsverfahren in Wirtschaftsstrafsachen liegen 1998 lediglich Ergebnisse vor für Bayern, Berlin und Bremen<br />
sowie für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Es wurde deshalb darauf verzichtet, diese Ergebnisse darzustellen.<br />
469<br />
Anteil von: Anklagen vor dem Amts- oder Landgericht, Anträgen auf Durchführung eines objektiven Verfahrens/ Sicherungsverfahrens,<br />
auf Entscheidung im beschleunigten Verfahren, auf vereinfachtes Jugendverfahren (=Anklagen i.w.S.) sowie Anträ-