Innere Sicherheit
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Seite 162<br />
lende Extreme handelt, ist problematisch. 494 Die allgemeine Aufgeregtheit über Korruption steht jedenfalls<br />
im umgekehrten Verhältnis zum Stand empirisch gesicherten Wissens.<br />
PSB<br />
2.5.2 Begriff der Korruption<br />
Die Rechtssprache kennt den Begriff "Korruption" nicht. In den Wissenschaften werden unterschiedliche<br />
- ökonomische, politik-, sozialwissenschaftliche, kriminologische, rechtspolitische - Begriffe verwendet:<br />
Aber auch in diesen Wissenschaften gibt es keinen einheitlichen, allseits anerkannten Begriff der Korruption.<br />
495 Die Schwierigkeit rührt daher, dass es um Austauschbeziehungen geht, die auch für den normalen<br />
Geschäftsverkehr typisch sind; Trinkgeld und Bakschisch sind schwer abgrenzbar, klare Grenzen zwischen<br />
normalem Geschäftsverkehr und beginnender Korruption zu ziehen, fällt nicht leicht. Für Zwecke<br />
dieses Berichts dürfte es genügen, als kennzeichnend für Korruptionssachverhalte die folgenden kumulativen<br />
Merkmale anzusehen: 496<br />
- Handeln in einer amtlich-öffentlichen oder vergleichbaren Funktion der Wirtschaft oder aufgrund<br />
eines politischen Mandats (Nehmerseite),<br />
- auf Veranlassung (durch den Geber) oder eigeninitiativ,<br />
- in der Regel Erlangung bzw. Anstreben eines persönlichen Vorteils oder von Zuwendungen zugunsten<br />
von Dritten (Drittbegünstigung),<br />
- unter Verstoß gegen Normen,<br />
- Eintritt eines unmittelbaren oder mittelbaren Schadens oder eines sonstigen Nachteils für die Allgemeinheit<br />
oder (bei Handeln in wirtschaftlicher Funktion) für ein Unternehmen,<br />
- Geheimhaltung bzw. Verschleierung dieser Machenschaften.<br />
Dieser Kriterienkatalog ist denkbar weit. Er umfasst sowohl das aus einer bestimmten Situation heraus<br />
entstehende Angebot an den Amtsträger (z. B. der Bestechungsversuch des alkoholisierten Fahrzeuglenkers,<br />
der die kontrollierenden Polizeibeamten zu veranlassen versucht, von einer Blutprobe Abstand zu<br />
nehmen) als auch die geplante und auf Dauer angelegte Beeinflussung, wie sie vor allem bei der Vergabe<br />
von Aufträgen, behördlichen Genehmigungen/Kontrollfunktionen sowie der Vergabe von Fördermitteln<br />
bzw. Subventionen anzutreffen ist.<br />
Von den Entstehungsbedingungen, von den Abhängigkeitsbeziehungen wie von der Entdeckungs- und<br />
Aufklärungswahrscheinlichkeit 497 her wird in polizeilichen Lagebildern zwischen situativer 498 und struktureller<br />
499 Korruption unterschieden. Bei letzterer Form geht den Bestechungsdelikten zumeist ein längerer<br />
Anbahnungsprozess voraus. Kleinere Geschenke dienen der Kontaktpflege und der Auswahl von solchen<br />
Bediensteten, die korrumpierbar sein könnten. Erst nach einer längeren Phase des "Anfütterns"<br />
kommt es zur "Unrechtsvereinbarung" mit Leistung und Gegenleistung.<br />
494 In ihrer bundesweiten Strafaktenanalyse stellte BANNENBERG eine hohe Dominanz von Bagatellfällen fest, obwohl die Staatsanwaltschaften<br />
um Zusendung von Ermittlungsakten in Verfahren „bedeutender Korruption“ gebeten worden waren und obwohl<br />
diese Verfahren teilweise bei den Dezernaten, die als Sonderdezernate für Korruptionsbekämpfung gegründet worden waren,<br />
bearbeitet wurden; vgl. BANNENBERG, B., 2001, S. 33.<br />
495 Eingehend DÖLLING, D., 1996, C 11; KERNER, H.-J. und S. RIXEN, 1996, S. 359 ff.<br />
496 Vgl. zu diesen Kriterien VAHLENKAMP, W. und I. KNAUß, 1995, S. 20; KERNER, H.-J. und S. RIXEN, 1996, S. 363. Kritisch<br />
AHLF, E.-H., 1998, S. 11 f., der als weiteres Kriterium fordert, der Vorteilsgeber müsse einvernehmlich bessergestellt/begünstigt<br />
werden.<br />
497 Situative Korruption wird zu ca. 80% bis 90% der Fälle durch Amtsanzeigen bekannt, bei Fällen der strukturellen Korruption<br />
sind es dagegen nur ca. 10%. Solche Korruptionsfälle werden meist (ca. 50%) durch Ermittlungen in anderen Strafverfahren oder<br />
durch anonyme Hinweise bekannt. Vgl. AHLF, E.-H., 1998, S. 10).<br />
498 "Hierunter sind Korruptionshandlungen zu verstehen, denen ein spontaner Willensentschluss zugrunde liegt, d. h. die Tatbestandsverwirklichung<br />
erfolgt als unmittelbare Reaktion auf eine dienstliche Handlung und unterliegt keiner gezielten Planung/Vorbereitung";<br />
BUNDESKRIMINALAMT, 1999c, S. 7.<br />
499 "Hier handelt es sich um Fälle, bei denen die Korruptionshandlung auf der Grundlage längerfristig angelegter korruptiver<br />
Beziehungen bereits im Vorfeld der Tatbegehung bewusst geplant wurde. Es liegen demnach konkrete bzw. geistige Vorbereitungshandlungen<br />
vor, die eine Spontaneität der Handlung ausschließen"; BUNDESKRIMINALAMT, 1999c, S. 7.