Innere Sicherheit
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PSB Seite 337<br />
2.12 Gewaltdarstellungen in den Medien und Nachahmungstaten<br />
Eine höchst kontroverse Debatte wird über die Auswirkungen von Gewaltdarstellungen in den Medien<br />
geführt. Auf der einen Seite wird von der „Kriminalisierung von Kindern und Jugendlichen durch Medien“<br />
1051 gesprochen, auf der anderen Seite wird in einer Analyse vorliegender Studien resümiert: „Je<br />
wissenschaftlich redlicher Untersuchungen zur Wirkung von Mediengewalt angelegt sind, desto weniger<br />
ergeben sich daraus Hinweise für einen direkten Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und medialer<br />
Gewaltdarstellung.“ 1052 Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen der Darstellung von realer und<br />
fiktiver Gewalt. Reale Gewalt beinhaltet „die Präsentation von Verhaltensweisen, die physische und psychische<br />
Schädigungen beabsichtigen oder bewirken“ 1053 , also Berichte über Gewalttaten, Geiselnahmen,<br />
Unruhen und Krieg. Zu fiktiver Gewalt werden Darstellungen in Spielfilmen und Computerspielen gerechnet.<br />
Im Zentrum der Debatte stehen seit langem Horror-, Action- und Splatter-Filme sowie gewalthaltige<br />
Computerspiele mit naturalistischer Darstellung. Hier ist insbesondere die These bekannt geworden, die<br />
die Welt der Medien als eine vierte Umwelt bezeichnet, die besonders für Kinder und Jugendliche gefährlich<br />
ist. In einer Aktenanalyse von 37 Tötungsdelikten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen<br />
wird festgestellt, dass bei der Strafzumessung in vier Fällen der Konsum von Horror- oder Pornofilmen<br />
und das Hören aufwühlender Rock- oder Beatmusik direkt vor der Tat strafmindernd gewertet wurden. 1054<br />
Dies ist freilich kein Beweis für einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen Mediumkonsum und Gewalttätigkeit.<br />
In einer schriftlichen Schülerbefragung wurde herausgefunden, dass Schüler, die mehrmals<br />
pro Woche Kriegs-, Horror- und Sexfilme sehen, gewalttätiger sind als andere. 1055 Auch LUKESCH kommt<br />
1989 zu dem Ergebnis, dass substantielle Beziehungen zwischen medialem Gewaltkonsum und der Aggressivität<br />
gegen Mitschüler und Sachen sowie Kleinkriminalität bestehen. 1056 Dabei spielen Kino und<br />
Video seiner Ansicht nach eine größere Rolle als das Fernsehen. Ähnliche Befunde gibt es für die Nutzer<br />
von Videospielen. Kinder, die mehr als eine halbe Stunde täglich Videospiele nutzen, zeigen einen höheren<br />
Grad an Aggression und weniger prosoziales Verhalten. 1057 Offen muss bei diesen Befunden bleiben,<br />
wie diese Korrelation zu erklären ist; ob also Gewalttätigkeit auf den Filmkonsum zurückgeht oder die<br />
persönlichen Stimulationsbedürfnisse sowohl den Medienkonsum als auch die Gewaltbereitschaft hervorrufen.<br />
Dies könnte letztendlich nur in einem experimentellen Design geklärt werden.<br />
Experimentell ist bei Videospielen eine Steigerung der Aggression und eine Abnahme der Prosozialität,<br />
insbesondere bei Jungen, festgestellt worden. 1058 Für gewalthaltige Spielfilme wurden dagegen in einer<br />
gut dokumentierten Studie 1059 Experimente mit immerhin über tausend zufällig ausgewählten Personen<br />
durchgeführt. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass Gewaltdarstellungen die Aggressionsneigungen eher<br />
mindern, weil Zuschauer sich mit der Opferperspektive identifizieren. Allerdings besteht hier eine Gefahr:<br />
„Eine markante Ausnahme von der Regel antiviolenter Verarbeitung verursacht der Robbespierre-<br />
Affekt, bei dem sich ein zunächst gewaltkritischer Impuls in eine Aggression gegen den Täter verwandelt“<br />
1060 . Es wurden weitere problematische Effekte festgestellt: Kampfsport- und gewaltbetonte Actionfilme<br />
führen zu einem „Abbau von Toleranz“. „Je eindeutiger die Gewaltästhetik Verknüpfungen biologischer,<br />
rassischer oder nationaler Merkmale mit moralisch abwertenden Valenzen enthält, desto wahr-<br />
1051<br />
GLOGAUER, W., 1993.<br />
1052<br />
MERTEN, K., 1999, S. 159.<br />
1053<br />
KUNCZICK, M., 1998, S. 14.<br />
1054<br />
Vgl. GLOGAUER, W., 1993, S. 82-102.<br />
1055<br />
Vgl. LAMNEK, S., 1995, S. 241 f.; zu einem ähnlichen Zusammenhang vgl. DÖBLER, T., B. STARK und M. SCHENK, 1999.<br />
1056<br />
Vgl. LUKESCH, H., 1989, S. 364-382.<br />
1057<br />
Vgl. WIEGMANN, O. und E. G. M. VAN SCHIE, 1998, S. 375; ähnliche Ergebnisse bei STECKER, R., 1998.<br />
1058<br />
Vgl. SILVERN, S. B. und P. A. WILLIAMSON, 1987, S. 453-462.<br />
1059<br />
GRIMM, J., 1999.<br />
1060<br />
Ebenda, S. 706.