Innere Sicherheit
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Seite 338<br />
scheinlicher werden diese zum Aufbau von Feindbildern genutzt“ 1061 . Nach den Ergebnissen der Studie ist<br />
also nicht die dargestellte Gewalt selbst, sondern die dramaturgische Einbettung für die Wirkungen verantwortlich.<br />
Für Filme bedeutet dies, dass sich das Gute letztlich durchsetzen muss.<br />
Was reale Gewalt angeht, wurde in den achtziger Jahren bei den Unruhen in Großbritannien 1062 , in den<br />
neunziger Jahren insbesondere im Kontext fremdenfeindlicher Gewalt 1063 eine Fülle von Nachahmungstaten<br />
bekannt. Eine Studie gelangte zu der Ansicht, dass die Darstellung realer Gewalt in der Berichterstattung<br />
Nachahmungstaten auslöst oder fördert. 1064 Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen der<br />
medialen Berichterstattung über Gewalt gegen Ausländer und Asylbewerber und deren Zunahme im<br />
Zeitraum von 1990-1993. Der Analyse lagen jeweils die aktuellen Daten von sechs Landeskriminalämtern<br />
zugrunde. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass es Jugendliche gibt, die aufgrund ihrer Lebensbedingungen<br />
und ihres sozialen Umfeldes bereits ausländerfeindlich eingestellt sind und die Anwendung<br />
von Gewalt präferieren. Durch die Präsenz des Themas Ausländer und Zuwanderer in den Medien<br />
wird das Bild einer akuten Problematik aufgebaut. Die Berichterstattungen über Anschläge gegen Ausländer<br />
liefern demnach fremdenfeindlichen Gruppen „ein Modell, ihre Motivation nach Aktion und Gewalt<br />
in Handlungen umzusetzen“ 1065 . Auch die Aufmerksamkeit durch das Publikum und die Möglichkeit,<br />
durch diese spektakuläre Taten ins Rampenlicht zu gelangen, fördert die Nachahmungsbereitschaft.<br />
Wenn also nicht die dargestellte Gewalt selbst, sondern der Sinn, den sie für Einzelne oder Gruppen von<br />
Mediennutzern macht, für erhöhte Aggressivität und eventuell für Nachahmungstaten verantwortlich ist,<br />
kommt die klassische Wirkungsforschung an ihre Grenzen. Eine weitere Analyse über Gewalt in den<br />
Medien kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Insgesamt gesehen zeichnet sich die Medien- und Gewalt-<br />
Diskussion noch immer dadurch aus, dass zwei Fehlannahmen vorherrschen. Zum einen wird gern ein<br />
Schluss vom Inhalt der Gewaltdarstellungen auf deren Wirkung beim Zuschauer gezogen, zum anderen<br />
wird in der Öffentlichkeit und insbesondere der Politik eine generelle Aussage zur Wirkung von Gewaltdarstellungen<br />
gefordert. Diese kann und wird es auf wissenschaftlich fundierter Basis nie geben, denn<br />
der Wirkzusammenhang (Rezipient - Medium) ist so komplex, dass sich wissenschaftlich haltbare Aussagen<br />
nur für einzelne Populationen in genau umrissenen Situationen treffen lassen.“ 1066<br />
Die Frage der Medienwirkung muss also von der Lebenslage und der Subkultur ausgehen, in denen der<br />
Medieninhalt zu einem Teil der subjektiven und gemeinschaftlichen Wirklichkeit wird. Der Film "Rock<br />
around the Clock" hat zur Ausbreitung der Subkultur der Halbstarken beigetragen, der Film "The Warriors"<br />
zur Gründung von Streetgangs. Die Konfrontationstechniken der Studentenbewegung wurden medial<br />
weltweit verbreitet, die „erfolgreichen“ Gewalttäter von Hoyerswerda fanden ihre Nachahmer. Der<br />
„Sinn“, den ein Medienereignis macht, wird also nur zu einem Teil durch das Drehbuch oder an dem<br />
Drehort produziert: Rezeption und Einbau in den eigenen Lebenszusammenhang ist ein produktiver Prozess,<br />
der aus den Lebensbedingungen der Konsumenten erwächst. 1067 Diese Konsumenten befinden sich<br />
heute in einem „Supermarkt“ der medienvermittelten Kultur, in der unzählige Spezialitäten angeboten<br />
und nachgefragt werden. Was sie auswählen und welche Handlungsfolgen diese Wahlakte haben, ist nur<br />
im Kontext ihrer emotionalen Biografie, ihrer Lebenslage und der subjektiven Verarbeitung eben dieser<br />
verständlich. 1068 „Dementsprechend ist der korrelative Zusammenhang höchst unterschiedlich ausgeprägt,<br />
je nachdem, welche Untergruppen in der Analyse gebildet werden.“ 1069 In einer Untersuchung über ag-<br />
1061<br />
Ebenda, S. 718.<br />
1062<br />
Vgl. ECKERT, R., H. WILLEMS und M. WOLF, 1990.<br />
1063<br />
Vgl. WILLEMS, H. u. a., 1993, S. 87.<br />
1064<br />
Vgl. BROSIUS, H.-B. und F. ESSER, 1995.<br />
1065<br />
Ebenda, S. 79.<br />
1066<br />
KUNCZIK, M., 1998, S. 273.<br />
1067<br />
Vgl. WINTER, R., 1995, S. 16-26.<br />
1068<br />
Vgl. dazu BÖTTGER, A., 1998, S. 143-158.<br />
1069<br />
KLEITER, E. , S. 442.<br />
PSB