Innere Sicherheit
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PSB Seite 119<br />
(2) Ladendiebstahl wird überwiegend von Gelegenheitsdieben begangen; 70% der registrierten Täter<br />
waren zuvor unbescholtene Bürger. Bei allen anderen Diebstahlsdelikten weist die PKS einen - teilweise<br />
erheblich - höheren Anteil an Tätern auf, die bereits in Erscheinung getreten sind 360 . Die hohe Quote von<br />
Kindern, Jugendlichen im Alter bis 16 Jahren und von Frauen, aber auch von Rentnern bei den Tatverdächtigen<br />
lässt ja bereits erwarten, dass die große Mehrzahl der gefassten Täter zuvor polizeilich nicht<br />
auffällig geworden ist. Es mag zwar sein, dass unter den im Dunkelfeld verbliebenen Tätern ein etwas<br />
höherer Anteil von Mehrfachtätern zu finden ist. Allerdings wächst nach kriminologischer Erfahrung mit<br />
der Häufung der Taten auch das Entdeckungsrisiko 361 , so dass gerade Wiederholungsdiebe mit größerer<br />
Wahrscheinlichkeit registriert werden dürften, wenn auch wohl nur für einen kleinen Teil ihrer Taten.<br />
(3) Ladendiebstahl wird überdurchschnittlich oft von Jugendlichen begangen: 43% aller Tatverdächtigen<br />
waren 1999 jünger als 21 Jahre. Viele ihrer Diebstähle gelten nicht in erster Linie der Aneignung bestimmter<br />
Waren, sondern dem Nervenkitzel, dem Abenteuer 362 , oder der Abhilfe von Langeweile. Die<br />
Vermutung, Ladendiebstahl sei ein Einstiegsdelikt für kriminelle Karrieren, ist empirisch nicht begründet.<br />
Internationale Forschung hat gezeigt, dass Ladendiebstähle vielfach während kurzer Phasen in der Kindheit<br />
und frühen Jugend begangen werden, die entweder aufgrund von Reifeprozessen, der Suche nach<br />
anderen Abenteuern oder auch aufgrund einer Tatentdeckung (z. B. auch bei Freunden) beendet werden.<br />
363 Allerdings bedarf es weiterer Forschung zu klären, inwieweit Ladendiebstahl zugleich mit anderen<br />
Normbrüchen (z. B. Schulschwänzen) für eine deviante Lebensphase charakteristisch wird.<br />
(4) Relative Armut kann eine gewisse Rolle bei jenen Dieben spielen, die sich modische und aktuelle<br />
Produkte (Textilien, Kosmetika) nicht leisten können. 364 Andererseits bezahlen etliche Ladendiebe Waren<br />
mit relativ hohem Wert und versuchen gleichzeitig, kleine Artikel mit niedrigem Wert an der Kasse vorbei<br />
zu mogeln. 365 Insoweit beruht Ladendiebstahl überwiegend nicht auf wirtschaftlicher Not, sondern ist<br />
eher als Wohlstandsdelikt aufzufassen.<br />
(5) Für eine kleine Zahl von Mehrfachtätern können allerdings ökonomisch-defizitäre Lebenssituationen<br />
maßgeblich sein. Dazu gehören beispielsweise Drogenabhängige, die im Rahmen der Beschaffungskriminalität<br />
zur Finanzierung des Drogenkonsums gezielt und mit teilweise raffinierten Techniken auf dem<br />
Schwarzmarkt verkäufliche Produkte stehlen. 366 Einige Alkoholkranke und Obdachlose fallen wiederholt<br />
als Diebe von Genussmitteln auf. Eher selten wird Ladendiebstahl von Personen - überwiegend Frauen -<br />
in Phasen psychischer Störung bzw. Depression wiederholt begangen; der früher verwendete Begriff<br />
Kleptomanie wird von der Psychiatrie jetzt abgelehnt. 367 Unter den Mehrfachtätern befinden sich auch<br />
professionelle Diebe; ihr Anteil am Ladendiebstahl ist aber geringer als oft in der Öffentlichkeit vermutet<br />
wird. Nach Angaben aus dem <strong>Sicherheit</strong>sgewerbe sollen professionelle Diebe etwa für fünf bis acht Prozent<br />
der Diebstähle, insbesondere auch in der Schmuckbranche, verantwortlich sein. 368<br />
(6) Bestimmte Produkte sind als attraktives Diebesgut bekannt. Dazu gehören Kondome, Kosmetika,<br />
Textilien, Elektroartikel (z. B. Batterien) und Tabakwaren. Der Handel kennt diese "Hitlisten" als Artikel<br />
mit besonders großen Inventurdifferenzen. 369 Solche Produkte können so platziert werden, dass gute<br />
Kontrollmöglichkeiten bestehen. Allerdings stellt sich dieses Problem als betriebswirtschaftliche Kosten-<br />
360<br />
Vgl. BUNDESKRIMINALAMT, Polizeiliche Kriminalstatistik für verschiedene Jahre, Tabelle 22.<br />
361<br />
In der ALLBUS-Studie gaben 45% der Täter mehr als eine Tat an.<br />
362<br />
Vgl. OSTENDORF, H., 1999a, S. 355.<br />
363<br />
Vgl. KIVIVUORI, J., 1998, S. 674.<br />
364<br />
Vgl. MICHAELIS, J., 1991, S. 51.<br />
365<br />
Vgl. KRUPP, M. und H. BRINKE, 1995, S. 145.<br />
366<br />
Vgl. KREUZER, A., 1991, S. 250 f.<br />
367<br />
Vgl. OSBURG, S., 1992.<br />
368<br />
Vgl. LOITZ, R. und K.-M. LOITZ, 1987, S. 192.<br />
369<br />
Vgl. HORST, F., 2000, S. 5.