Innere Sicherheit
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PSB Seite 77<br />
vermutlich zu einem Anstieg der registrierten Fälle gekommen. Regional begrenzte Erkenntnisse der<br />
Dunkelfeldforschung deuten ferner auf eine größere gesellschaftliche Sensibilisierung und eine gestiegene<br />
Anzeigebereitschaft hin.<br />
Hinsichtlich der qualitativen Entwicklung der registrierten Gewaltdelikte liegen Anhaltspunkte dafür vor,<br />
dass der durchschnittliche Schweregrad der Vorfälle rückläufig ist. In diese Richtung deuten auch die<br />
Erkenntnisse zum Schusswaffengebrauch, bei dem sich ebenfalls Rückgänge zeigen. Diese bestätigen<br />
zudem die Zweckmäßigkeit der in Deutschland bestehenden gesetzlichen Beschränkungen und Kontrollen<br />
bezüglich Waffenbesitz und Waffenführung.<br />
Gleichwohl ist die derzeitige Lage nicht ohne weiteres als unproblematisch zu bezeichnen. Auch wenn<br />
Zuwächse der registrierten Gewaltkriminalität in jüngster Zeit in qualitativer wie quantitativer Hinsicht<br />
nicht mehr zu verzeichnen sind, ist unverkennbar, dass deren Niveau derzeit noch relativ hoch ist. Gesellschaftspolitisch<br />
sind dabei mehrere Gesichtspunkte zu beachten. Zum ersten findet Gewaltdelinquenz vor<br />
allem zwischen Jugendlichen und Heranwachsenden untereinander statt. Anstiege der Opferrisiken für<br />
ältere Menschen sind im Bereich der Gewaltkriminalität nicht festzustellen. Die jugendtümliche Qualität<br />
der Körperverletzungsdelikte führt zum zweiten auch dazu, dass diese eher als bei Erwachsenen als qualifizierte<br />
Körperverletzung Eingang in die Kategorie der Gewaltdelikte finden. Dies ergibt sich beispielsweise<br />
aus dem Tatbestandsmerkmal der gemeinschaftlichen Begehungsweise (§ 224 Abs.1 Nr. 4 StGB),<br />
das unabhängig vom jeweils verursachten Gesundheitsschaden auf Opferseite zu einer Qualifizierung<br />
einer Tat als gefährliche Körperverletzung führt. Da speziell Jugendliche häufiger aus Cliquen heraus<br />
agieren, werden sie auch eher in diesem Deliktsbereich registriert. Schließlich ist wesentlich, dass gefährliche<br />
Körperverletzungen und Raub vorrangig Formen der Delinquenz männlicher Jugendlicher und<br />
Heranwachsender sind, denen es stets auch um Darstellung von Männlichkeit und Dominanz geht. Insoweit<br />
wird die Auseinandersetzung damit, dass Gewalt für viele noch ein Bestandteil männlicher Identität<br />
ist, zunehmend wichtig.<br />
Festzuhalten ist, dass die kriminalpräventiven Ansätze, die sich in den neunziger Jahren auf dem Hintergrund<br />
des Berichts der Gewaltkommission der Bundesregierung entwickelt haben, auf der Ebene der<br />
Kommunen, der Länder und des Bundes weiterverfolgt werden müssen. Es ist nicht unwahrscheinlich,<br />
dass gerade die Vielfalt dieser Präventionsstrategien die Entwicklung der Gewaltkriminalität gedämpft<br />
hat. Man sollte generell davon ausgehen, dass kurzfristige Prävention nur begrenzt wirksam sein kann.<br />
Bei mittelfristigen Perspektiven spielen Maßnahmen zur Reduzierung von familialer Gewalt eine wesentliche<br />
Rolle.<br />
Häusliche Gewalt stellt allerdings ein Problem dar, das in den Hellfelddaten von Polizei, Staatsanwaltschaften<br />
und Gerichten kaum repräsentiert ist. Wie die wenigen hierzu verfügbaren Dunkelfelddaten<br />
zeigen, ist die Familie der Ort, an dem Frauen dem höchsten Risiko ausgesetzt sind, Opfer von physischer<br />
und sexueller Gewalt zu werden. Über 90% derartiger Vorfälle werden den Strafverfolgungsbehörden<br />
nicht bekannt. Die vorliegende Forschungsarbeiten zeigen weiter, dass Gewalt zwischen Erwachsenen in<br />
erheblichem Umfange auch in diesen Familien lebende Kinder mit betrifft. Zudem treten derartige Gewaltvorfälle<br />
in sozial benachteiligten Familien, die mit wirtschaftlichen Belastungen zu kämpfen haben,<br />
vermehrt auf.<br />
Gewalt stellt speziell in Zuwandererfamilien häufiger ein Problem dar, was zumindest partiell mit deren<br />
sozialer Lage sowie den mit Migrationsprozessen verbundenen Belastungen in Zusammenhang zu sehen<br />
ist. Bislang liegen allerdings keine bundesdeutschen Untersuchungen vor, die Aufschluss über längerfristige<br />
Entwicklungen sowie besondere Risikogruppen in diesem Bereich der häuslichen Gewalt bieten und<br />
die Situation in der Bundesrepublik mit der diesbezüglichen Lage in unseren europäischen Nachbarländern<br />
kontrastieren könnten.