Innere Sicherheit
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Seite 60<br />
dies dazu, dass nur etwa jeder dritte Tatverdächtige der Gewaltkriminalität wegen des von der Polizei<br />
angenommenen Straftatbestandes angeklagt wird. Etwa jeder Vierte wird entsprechend verurteilt.<br />
Bei der Interpretation der Daten von Tabelle 2.1-11 ist zu beachten, dass sich die Polizei zunächst mit<br />
dem Opfer und seiner Darstellung des Geschehens auseinandersetzt. Der Sachverhalt wird deshalb unter<br />
der Tatbezeichnung bearbeitet, die sich aus dieser ersten, noch stark von Emotionen und Ängsten des<br />
Opfers oder seiner Angehörigen geprägten Interaktion ergibt. Es erscheint plausibel, dass aus dieser Perspektive<br />
in vielen Fällen eine andere Bewertung entsteht als bei der aus größerer Distanz operierenden<br />
Justiz, die zudem bei der Beweiswürdigung dem Grundsatz "in dubio pro reo" verpflichtet ist.<br />
Gerade bei Gewaltstraftaten dürfte ferner der Anteil der Fälle nicht gering sein, in denen der Tatverdächtige<br />
bei der Polizei die Aussage verweigert und erst gegenüber der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht<br />
im Beisein seines Anwalts Entlastendes vorbringt. 185 In solchen Fällen wird es der Polizei erschwert, eine<br />
objektive Beurteilung des Tatgeschehens abzugeben. Für die hier angebotene Interpretation spricht ferner,<br />
dass nach Tabelle 2.1-11 das Verurteilungsrisiko der Erwachsenen fast durchweg niedriger ausfällt als<br />
das der Jugendlichen und Heranwachsenden. Die Annahme erscheint plausibel, dass in Ermittlungsverfahren<br />
gegenüber 14- bis unter 21-Jährigen, aufgrund der größeren Geständnisbereitschaft junger Menschen,<br />
geringere Beweisprobleme auftreten als bei den erwachsenen Beschuldigten, die möglicherweise<br />
häufiger bei der Polizei von ihrem Recht der Aussageverweigerung Gebrauch machen.<br />
Trotz dieser notwendigen Relativierungen bleibt festzuhalten, dass es auch nach den Daten der Strafverfolgungsstatistik<br />
seit Mitte der achtziger Jahre zu einem starken Anstieg der qualifizierten Körperverletzungsdelikte<br />
und Raubdelikte junger Menschen gekommen ist.<br />
2.1.6.2 Gewaltkriminalität von Männern und Frauen<br />
Kernpunkte<br />
♦ Die seit 1984 festzustellende Zunahme der Tatverdächtigen der Gewaltkriminalität ist zu 84 % der<br />
männlichen Bevölkerung zuzurechnen.<br />
♦ Es gibt deutliche Indizien dafür, dass die von Frauen verübten Gewaltdelikte im Durchschnitt weniger<br />
schwerwiegend sind als die der Männer.<br />
♦ Der Anteil der Frauen, die als Angeklagte bzw. Verurteilte der Gewaltkriminalität eine strafrechtliche<br />
Vorbelastung mit mindestens fünf früheren Verurteilungen aufweisen, ist wesentlich geringer als<br />
bei den Männern.<br />
In den alten Ländern hat sich im Verlauf von 15 Jahren die Zahl der Männer, die als Tatverdächtige der<br />
Gewaltkriminalität registriert wurden, pro 100.000 der ab achtjährigen männlichen Bevölkerung um 103<br />
erhöht, die der weiblichen Bevölkerung dagegen "nur" um 22. Der zwischen den Geschlechtern bestehende<br />
Abstand der Gewaltbelastung ist also zulasten der Männer weiter angewachsen. Dies zeigt sich auch<br />
im Vergleich der absoluten Zahlen. Die Zunahme der Gewaltkriminalität ist, soweit die Polizei die angezeigten<br />
Fälle aufklären konnte, zu 84,3% der männlichen Bevölkerung zuzurechnen und zu 15,7% der<br />
weiblichen.<br />
Zu beachten ist ferner, dass bei weiblichen Tatverdächtigen das weitere Verfahren deutlich seltener mit<br />
einer Anklage oder einer förmlichen Verurteilung abgeschlossen wird als das für männliche Tatverdächtige<br />
gilt. Bei einer Gegenüberstellung der Daten von Männern und Frauen errechnet sich für das Doppeljahr<br />
1997/98 für männliche Tatverdächtige eine Anklagequote von 37,1%, für weibliche dagegen von<br />
24,3%. Von den männlichen Tatverdächtigen wurden 26% verurteilt, von den weiblichen dagegen 14,9%.<br />
Dies spricht für die Annahme, dass die Tatschwere der von Frauen verübten Gewaltdelikte im Durch-<br />
185 Vgl. DÖLLING, D., 1987.<br />
PSB