Innere Sicherheit
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PSB Seite 131<br />
Um eine weitere Senkung der beiden Massendelikte Ladendiebstahl und Beförderungserschleichung zu<br />
erreichen, sind insbesondere Formen technischer Prävention auszuweiten. Wo immer dies geschieht,<br />
muss auf Erkennbarkeit der höheren Risiken einer Deliktbegehung für den Bürger geachtet werden. Nur<br />
wenn Indizien der Verfolgungswahrscheinlichkeit sichtbar sind, können sie Einschränkung der Tathäufigkeit<br />
bewirken. Generalprävention durch Erhöhung des Verfolgungsrisikos setzt effektive Informationsverbreitung<br />
darüber voraus. Dieser Mechanismus wirkt am ehesten noch bei Bagatelldelikten; sie<br />
werden bei erkennbarer Entdeckungsgefahr leichter unterlassen als schwerere Delikte 405 , an deren Begehung<br />
auch bei erkennbaren Risiken eher festgehalten wird.<br />
2.4 Wirtschaftskriminalität<br />
Kernpunkte<br />
♦ Wirtschaftskriminalität ist kein quantitatives, sondern ein qualitatives Problem. Auf Wirtschaftskriminalität<br />
entfielen 1999 in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr als 1,7% aller polizeilich bekannt<br />
gewordenen Straftaten.<br />
♦ Dieser vergleichsweise geringen Fallzahl steht jedoch eine "außerordentlich hohe Qualität an Deliktspotential"<br />
gegenüber: Wenige Beschuldigte schädigen viele Opfer und verursachen - im Vergleich<br />
zur "klassischen" Vermögenskriminalität - relativ hohe Schäden. Noch gravierender als die<br />
materiellen Schäden könnten freilich die immateriellen Schäden sein, die in Ansteckungs-, Nachahmungs-,<br />
Sog-, Spiral- und Fernwirkungen, in Kettenreaktionen sowie in gesundheitlichen Gefährdungen<br />
und Schädigungen gesehen werden. Befürchtet wird darüber hinaus ein Schwinden des Vertrauens<br />
in die Funktionsfähigkeit der geltenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.<br />
♦ Wirtschaftskriminalität ist, im Unterschied zur "klassischen" Vermögenskriminalität, zu einem erheblichen<br />
Teil Verbandskriminalität, d. h., dass es sich weitaus häufiger als sonst um Delikte handelt,<br />
die unter dem Mantel einer Einzelfirma oder einer handelsrechtlichen Gesellschaft - vornehmlich einer<br />
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) oder<br />
einer Kommanditgesellschaft (KG) - begangen werden.<br />
♦ Bei den registrierten Delikten der Wirtschaftskriminalität handelt es sich - ebenfalls im Unterschied<br />
zur "klassischen" Vermögenskriminalität - weitgehend um sog. Überwachungs- und Kontrolldelikte.<br />
Damit ist gemeint, dass ein Strafverfahren überwiegend nicht von einem betroffenen Opfer, sei es einer<br />
Privatperson oder einer staatlichen Institution, eingeleitet wird, sondern nur dann, wenn die Tat<br />
von den Strafverfolgungsorganen selbst entdeckt und aufgeklärt wird. Dies beruht zum einen auf der<br />
besonderen Opferstruktur bei Wirtschaftskriminalität: Der Anteil der Kollektivopfer ist sehr viel höher<br />
als bei "klassischer" Vermögenskriminalität. Dort aber, wo sich die Täter-Opfer-Beziehung "verflüchtigt",<br />
bedarf es verstärkter Anstrengungen der Instanzen formeller Sozialkontrolle, also insbesondere<br />
der Polizei, der Wirtschaftskontrolldienste usw., um die fehlende Kontrolle durch die Opfer<br />
auszugleichen.<br />
♦ Die Erledigungspraxis der Staatsanwaltschaften in "besonderen Wirtschaftsstrafverfahren" unterscheidet<br />
sich von der sonst vorherrschenden Erledigungspraxis: Die Einstellungsraten wegen fehlenden<br />
Tatverdachts sind deutlich höher; niedriger sind sowohl die Anklageraten als auch die Anteile der<br />
aus Opportunitätsgründen eingestellten Verfahren. Die Komplexität der Verfahren, die Schwierigkeit<br />
des Tatnachweises, die "Beschwerdemacht" des Beschuldigten, das sind einige der Gründe, die dazu<br />
führen, dass es häufiger zu einer Verfahrenseinstellung kommt als in Fällen der "klassischen" Eigentums-<br />
und Vermögenskriminalität mit vergleichsweise wesentlich geringerem Schadensumfang.<br />
♦ Die Sanktionspraxis bei Wirtschaftskriminalität lässt sich für die Mehrzahl aller Aburteilungen wegen<br />
nicht hinreichend differenzierter statistischer Informationen nicht messen.<br />
405 Vgl. SCHUMANN, K. F. u. a., 1987, S. 165 ff.