Innere Sicherheit
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Seite 76<br />
In der KFN-Schülerbefragung 1998 waren die 16.190 teilnehmenden Jugendlichen auch als Informanten<br />
dazu befragt worden, wie häufig sie im letzten Jahr beobachtet hatten, dass ein Elternteil den anderen<br />
geschlagen oder getreten hatte. Insgesamt gaben 13,7% der Jugendlichen an, im letzten Jahr derartiges<br />
beobachtet zu haben, was eine mit der KFN-Opferbefragung 1992 durchaus vergleichbare Größenordnung<br />
der Verbreitung physischer Gewalt unter erwachsenen Partnern im familiären Kontext darstellt.<br />
Eine Analyse der beobachteten Verbreitung elterlicher Partnergewalt für verschiedene ethnischen Gruppen<br />
zeigte weiter, dass diese Form der innerfamiliären Gewalt bei ausländischen Familien signifikant<br />
häufiger zu registrieren ist. So hatten 9,8% der deutschen Jugendlichen derartige Beobachtungen in den<br />
letzten 12 Monaten gemacht, während Jugendliche Aussiedler aus der früheren Sowjetunion mit 20,7%<br />
sowie Jugendliche aus dem ehemaligen Jugoslawien mit 21,6% etwa die doppelte Prozentrate aufwiesen.<br />
Am höchsten war die Quote mit 32,5% bei den Jugendlichen aus türkischen Familien. Ferner zeigte sich<br />
im Einklang mit den Befunden des Jahres 1992, dass bei den unteren sozioökonomischen Statusgruppen<br />
derartige Beobachtungen häufiger auftraten. Insbesondere dann, wenn die Familien von Arbeitslosigkeit<br />
betroffen oder von Sozialhilfe abhängig waren, war die Prozentrate der jugendlichen Beobachter elterlicher<br />
Partnergewalt deutlich erhöht. Entsprechende Befunde erbrachte auch die Wiederholung der Schülerbefragung<br />
im Jahre 2000. 239<br />
Im Wege von Opferbefragungen kann die schwerste Form innerfamiliärer Gewalt allerdings nicht aufgeklärt<br />
werden - die vorsätzliche Tötung von Familienangehörigen. Nach den Ergebnissen einer multizentrischen<br />
Studie von 23 rechtsmedizinischen Einrichtungen in Deutschland 240 gibt es hier offenkundig ein<br />
hohes Dunkelfeld. 241 Vor allem Kinder und ältere Menschen seien häufig Opfer solcher Straftaten, die<br />
primär von Familienangehörigen verübt werden. Als Ursachen der Nichtentdeckung dieser Tötungsdelikte<br />
werden eine zu geringe Häufigkeit von Leichensektionen und Mängel in der Kooperation von Polizei<br />
und Staatsanwaltschaft mit der Gerichtsmedizin genannt.<br />
2.1.9 Ausblick<br />
Unter dem Begriff der Gewaltkriminalität wird in der PKS eine Teilmenge der gegen Personen gerichteten<br />
Straftaten zusammengefasst, die vor allem den Bereich der Delikte von mittlerem und hohem Schweregrad<br />
erfasst, wobei allerdings der tatsächliche Schweregrad in Einzelfällen durchaus sehr gering sein<br />
kann. Einige Delikte, wie beispielsweise die einfache Körperverletzung, die Sachbeschädigung oder der<br />
sexuelle Missbrauch, werden von dieser polizeilichen Gewaltdefinition nicht umfasst.<br />
Die summarische Kategorie der Gewaltkriminalität, die mit etwa 3% nur einen sehr kleinen Ausschnitt<br />
des gesamten Kriminalitätsgeschehens ausmacht, wird zu mehr als 60% durch die Fälle der gefährlichen<br />
bzw. schweren Körperverletzung und zu einem Drittel durch Raubdelikte bestimmt; Vergewaltigung und<br />
Tötungsdelikte tragen in erfreulich geringem Maße zu den Gesamtzahlen bei. Die verschiedenen in die<br />
Gesamtkategorie eingehenden Delikte weisen zudem unterschiedliche Tendenzen auf: Während der registrierte<br />
Raub seit 1997 rückläufig ist, nehmen die polizeilich registrierten qualifizierten Körperverletzungsdelikte<br />
in den letzten beiden Jahren weiterhin leicht zu. Diese gegenläufigen Trends haben in der<br />
Summe die Folge, dass die polizeilich registrierte Gewaltkriminalität in den letzten drei Jahren insgesamt<br />
bundesweit nicht mehr zugenommen hat. Unter Berücksichtigung der im 6. StrRG 1998 erfolgten Weichenstellung<br />
zur konsequenten Verfolgung von Gewaltdelikten ist ein weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf<br />
nicht zu erkennen.<br />
Beachtlich ist allerdings die Wirkung dieser Neuregelungen auf das Hellfeld. Nachdem der Strafrahmen<br />
für die gefährliche Körperverletzung 1998 erhöht und dieser Tatbestand zum Offizialdelikt wurde, ist es<br />
239 Vgl. dazu Kapitel 5.<br />
240 BRINKMANN, B., BANASCHKE, S., BRATZKE, H. u. a., 1997.<br />
241 Vgl. dazu auch RÜCKERT, S., 2000.<br />
PSB