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Innere Sicherheit

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Seite 262<br />

2.10 Politisch motivierte Kriminalität<br />

Kernpunkte<br />

PSB<br />

♦ Während in den siebziger und achtziger Jahren politisch motivierte Kriminalität vor allem im Zusammenhang<br />

der Konflikte zwischen "Neuer Linker" bzw. Ökologiebewegung einerseits und dem<br />

Staat andererseits stattfand, ist in den neunziger Jahren fremdenfeindliche und rechtsextremistische<br />

Gewalt in den Vordergrund getreten.<br />

♦ Der Anstieg fremdenfeindlicher Gewalt fiel mit den hohen Zuwanderungszahlen von Aussiedlern und<br />

Asylsuchenden in den Jahren 1988 bis 1992 zusammen; Asylbewerber und ehemalige Vertragsarbeiter<br />

der DDR standen im Zentrum der Angriffe. Rasch wurden auch andere in Deutschland<br />

lebende Personen ausländischer Herkunft und Außenseiter wie etwa Obdachlose zu Opfern rechtsextremer<br />

Gewalt. Auch antisemitische Propagandadelikte und Anschläge häuften sich.<br />

♦ Mit dem Rückgang der Asylbewerber-Zahlen seit 1994 gingen die Angriffe gegen diesen Personenkreis<br />

zurück, gleichzeitig verfestigten sich rechtsextreme und fremdenfeindliche Einstellungen in<br />

Teilen der Gesellschaft. Ein Zusammenhang mit Problemen der regionalen Wirtschaftsstruktur ist in<br />

Ost und West erkennbar. Diese Einstellungen führen bis heute immer wieder zu Angriffen auf Fremde,<br />

Obdachlose und politische Gegner. Zwischen rechts- und linksextremistischen Gruppen zeigen<br />

sich erste Eskalationsspiralen.<br />

♦ Ein Teil der zumeist jugendlichen und männlichen Gewalttäter hat selbst Erfahrungen mit Gewalt in<br />

der Familie machen müssen. Anpassungsprobleme und Abbrüche in Schule und Ausbildung kennzeichnen<br />

ihren Lebenslauf. Viele sind auch wegen "unpolitischer" Delinquenz auffällig geworden und<br />

fühlen sich von der Fremdenfurcht ihres sozialen Umfelds ermutigt und ermächtigt.<br />

♦ Die traditionelle Definition der "Staatsschutzdelikte" mit ihrer Beschränkung auf die Absicht der<br />

Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung greift für die neueren Phänomene politisch<br />

motivierter Kriminalität zu kurz. Zudem eröffnete das Erfordernis des Nachweises einer "überwiegend<br />

rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen oder antisemitischen Motivation" bisher<br />

sehr weite Ermessensspielräume und damit auch eine unterschiedliche Handhabungspraxis vor Ort.<br />

Dies hat beispielsweise dazu geführt, dass Gewaltdelikte rechtsorientierter Täter gegen sozial Ausgegrenzte<br />

(z. B. Obdachlose), aber auch gegen Ausländer häufig nicht in der Staatsschutzstatistik, sondern<br />

nur in der allgemeinen PKS erfasst werden - auch wenn sie von rechtsextremen Gruppen ausgeführt<br />

worden sind.<br />

♦ Die von Journalisten des Tagesspiegels und der Frankfurter Rundschau vom 14.09.2000 zusammengestellten<br />

93 Todesfälle weichen von den zuvor veröffentlichten amtlichen Opferzahlen im Bereich<br />

des Rechtsextremismus erheblich ab; sie beschränken sich nicht auf Tötungsdelikte im Sinne des<br />

StGB, die aufgrund der überwiegenden rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen bzw. antisemitischen<br />

Motivation der Täter dem Bereich der Staatsschutzdelikte zuzuordnen sind. Vielmehr wurden<br />

alle Todesfälle recherchiert, an denen rechtsorientierte Täter - nach Maßgabe der Medien - maßgeblichen<br />

Einfluss hatten.<br />

♦ Aufgrund der bisherigen defizitären Praxis bei der Erfassung des Ausmaßes und der Opfer rechtsextremistischer,<br />

antisemitischer und fremdenfeindlicher Angriffe wurde die politisch motivierte Tat als<br />

neues Erfassungskriterium mit Wirkung vom 01.01.2001 vereinbart. Zudem wurde eine Erfassungsmöglichkeit<br />

unter dem Oberbegriff der "Hasskriminalität" geschaffen, die als spezielle Unterpunkte<br />

"fremdenfeindliche" und "antisemitische" Straftaten erfasst.<br />

2.10.1 Politisch motivierte Kriminalität: Begriffsbestimmung, Gegenstandseingrenzung,<br />

Erklärungsansätze<br />

Politisch motivierte Kriminalität wurde im Kontext der soziologischen und kriminologischen Forschung<br />

bislang eher vernachlässigt. Zwar existiert eine umfangreiche Literatur über Terrorismus, Völkermord,<br />

revolutionäre Gewalt sowie über einzelne Aspekte politischer Kriminalität wie das Attentat 854 ; auch gibt<br />

es eine Vielzahl von Publikationen zu sozialen Bewegungen, zu politischem Protest und Demonstratio-<br />

854 Siehe hierzu beispielsweise GURR, T., 1970; ZIMMERMANN, E., 1971; BAEYER-KATTE, W. u. a., 1982.

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