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Innere Sicherheit

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PSB Seite 161<br />

2.5.1 Korruption zwischen Dramatisierung und Verharmlosung<br />

Korruption war jahrzehntelang in Deutschland kein vorrangiges Thema der öffentlichen Diskussion.<br />

Deutschland wurde als korruptionsfrei angesehen. Die Beamtengesetze des Bundes und der Länder gehen<br />

vom Leitbild des unparteiisch und uneigennützig handelnden Staatsdieners aus. Dementsprechend galt die<br />

in der Tradition des preußischen Beamtenethos wurzelnde Dienstauffassung der Amtsträger als Garant<br />

gegen Korruptionsanfälligkeit. Die auf diese Annahmen gestützte Einschätzung erwies sich als ebenso<br />

unzutreffend wie die Theorie des vereinzelten "schwarzen Schafes". Unter dem Eindruck von Korruptionsfällen<br />

in einigen deutschen Großstädten wurde Korruption seit Anfang der neunziger Jahre zu einem<br />

der viel diskutierten Themen. Der Hoffnung, die für Schlagzeilen sorgenden Korruptionsfälle in Frankfurt<br />

a.M. 485 oder in München 486 seien Großstadtprobleme, setzte der Präsident des Hessischen Rechnungshofs<br />

entgegen: "Prüfergebnisse des Rechnungshofs stellen eindeutig klar, dass Korruption kein Einzelphänomen<br />

oder eine Häufung von zu bedauernden Einzelfällen ist, sondern System." 487<br />

In der Folgezeit verstärkten die Medien den Eindruck, Korruption sei weit verbreitet, zumindest stark auf<br />

dem Vormarsch. Dies dürfte nicht ohne Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung geblieben sein. Nach<br />

Meinungsumfragen aus dem Jahr 1992 hielt nur jeder dritte westdeutsche und nur knapp jeder fünfte<br />

ostdeutsche Befragte Beamte für unbeeinflussbar und unbestechlich. 488 Entsprechend ist die Wahrnehmung<br />

in der Bevölkerung zum Ausmaß von Bestechung, 489 aber auch möglicherweise ihre eigene Bereitschaft,<br />

selbst Schmiergelder zu bezahlen. 490 Auch im internationalen Ländervergleich wird Deutschland<br />

als korruptionsbetroffen angesehen. 491<br />

Korruption gab es schon immer; sie sei sogar, so wird gesagt, das "zweitälteste Gewerbe" der Welt. Neu<br />

an den jetzt festgestellten Korruptionsphänomenen sei indes "die Ausfächerung in alle Bereiche des öffentlichen<br />

Dienstes, der gezielte Einsatz von Korruption als Geschäftspolitik und die Abhängigkeit von<br />

Kartellabsprachen und Schmiergeldzahlungen." 492 Neben hohen materiellen Schäden, die die Allgemeinheit<br />

zu tragen habe, werden vor allem immaterielle Schäden beklagt. Korruption gilt deshalb Vielen als<br />

"Krebsgeschwür" in Staat und Gesellschaft, das den demokratisch verfassten Rechtsstaat und die soziale<br />

Marktwirtschaft bedrohe.<br />

Reichhaltiges empirisches Material über Korruption liegt inzwischen für eine ganze Reihe Aufsehen erregender<br />

Ermittlungsverfahren vor. 493 Hinreichend differenziertes Material über den Umfang und die<br />

Struktur von "Alltags"-Korruption und über die hierdurch verursachten Schäden fehlt jedoch. Die Verallgemeinerung<br />

von Einzelfällen, bei denen ungewiss ist, ob es sich hierbei um weit aus dem Rahmen fal-<br />

485 Verwickelt waren mehrere Verwaltungsabteilungen, angefangen vom Amt für Beschaffungs- und Vergabewesen, über das<br />

Amt für Wohnungswesen, das Gartenamt, das Hochbauamt, über die Mitarbeiter der Mülldeponie und der Stadtwerke bis hin<br />

zum Straßenbauamt. Zusammenfassend zu Frankfurt a.M. siehe KERBEL, S., 1995; SCHAUPENSTEINER, W. J., 1999.<br />

486 In München waren Repräsentanten der Münchner Niederlassung einer Weltfirma der Korruption überführt worden.<br />

487 MÜLLER, U., 1995, S. 69.<br />

488 Siehe die Allensbacher Berichte Nr. 19/1992. Die restlichen Befragten stuften Beamte entweder als bestechlich ein oder waren<br />

unentschieden.<br />

489 1995 meinten rund zwei Drittel der Befragten, es gebe in Deutschland "in ganz erheblichem Umfange (in sehr großem Umfange<br />

und in großem Umfange)" Bestechung; vgl. die bei HETTINGER, M., 1996, S. 2265, zitierten Befragungsergebnisse.<br />

490 Eine FORSA-Untersuchung ergab, dass 47% der Befragten bereit wären, Bestechungsgelder zu bezahlen, um einen persönlichen<br />

Vorteil zu erlangen (Quelle: http://www.radiobremen.de/rb2/feature/1997/971222.shtml).<br />

491 Vgl. hierzu die Indizes „Korruptions-Wahrnehmungsindex“ (Corruption Perceptions-Index) und „Bribe Payers-Index“ (http://<br />

www.gwdg.de/~uwvw/icr.htm; http://www.transparency.de/documents/cpi/).<br />

492 SCHAUPENSTEINER, W. J., 1997, S. 97.<br />

493 Vgl. die Aktenanalysen von SCHÖNHERR, R., 1985, KERBEL, S., 1995; LIEBL, K., 1992; ferner die Berichte von<br />

SCHAUPENSTEINER, W. J., 1997, 1999, die Recherchen von HANDLÖGTEN, G. und H. VENSKE, 1993; SCHOLZ, 1995.

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