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Innere Sicherheit

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Seite 300<br />

2.10.6 Extremismus und politische Kriminalität ausländischer Gruppen in Deutschland<br />

2.10.6.1 Strukturen und Aktionsformen ausländischer extremistischer Gruppen in<br />

Deutschland 941<br />

Extremistisch ausgerichtete Vereinigungen und politische Gruppierungen von Ausländern in Deutschland<br />

sind im letzten Jahrzehnt für die <strong>Sicherheit</strong>skräfte zunehmend zum Problem geworden. 942 Hier hat sich<br />

nach Ansicht des Bundesamtes für Verfassungsschutz mittlerweile mit dem Islamismus eine neue Herausforderung<br />

für die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und<br />

anderer westeuropäischer Staaten mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil entwickelt. 943 Der Islamismus<br />

wird als eine Bewegung angesehen, deren Ziel es ist, eine Gesellschaftsordnung und ein staatliches<br />

System nach dem Koran und der Scharia (dem islamischen Rechtssystem) aufzubauen. Unter den islamistischen<br />

Gruppierungen in Deutschland spielt vor allem die türkische "Islamische Gemeinschaft Milli<br />

Görüs" (IGMG) wegen ihrer Mitgliederstärke von ca. 27.000 Personen und ihres hohen Organisationsgrades<br />

(europaweit über 500 Moscheevereine und andere Einrichtungen) eine besondere Rolle. Sie<br />

unterstützt Bestrebungen zur Abschaffung der laizistischen Staatsordnung 944 in der Türkei und ist bemüht,<br />

in der Bundesrepublik islamistische Positionen weiterzuverbreiten. Dabei rekrutiert sie insbesondere<br />

unter den hier lebenden Türken neue Mitglieder. Sie spielt freilich im Kontext der politisch motivierten<br />

Kriminalität in Deutschland keine Rolle. Eine dezidiert antilaizistische Agitation, verbunden mit<br />

einem Aufruf zum Heiligen Krieg, geht vor allem von der kleinen islamistischen Organisation "Der Kalifatsstaat"<br />

aus, deren Führer Metin Kaplan inzwischen wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu<br />

einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt wurde. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Kaplan zum<br />

Mord an einem Berliner "Gegenkalifen" aufgerufen hat.<br />

Von zunehmender Bedeutung auch für deutsche <strong>Sicherheit</strong>sinteressen sind die weltweiten Aktivitäten so<br />

genannter "Arabischer Mujahedin" (Kämpfer für die Sache Allahs): Auch in der Bundesrepublik sind eine<br />

Reihe von Personen aufhältig, die - ursprünglich beheimatet zumeist in Ländern des Nahen und Mittleren<br />

Ostens sowie in Nordafrika - in Afghanistan oder Pakistan militärisch ausgebildet wurden und teilweise<br />

an Kampfeinsätzen im Rahmen des "Jihad" teilgenommen haben. Diese Personen sind eingebunden in ein<br />

internationales Netzwerk; d. h. sie organisieren sich um eine Führungsperson herum in weitgehend autonom<br />

agierenden Kleingruppen, die wiederum über vielfältige Kontakte zu gleichgesinnten Gruppen im<br />

In- und Ausland verfügen. In Einzelfällen konnten Hinweise auf Verbindungen derartiger Gruppen zur<br />

Organisation "Al-Quaida" (Die Basis) des Usama Bin Ladin gewonnen werden. Dieser gilt als mutmaßlicher<br />

Drahtzieher der Bombenanschläge gegen die US-amerikanischen Botschaften in Nairobi (Kenia) und<br />

Daressalam (Tansania) am 7. August 1998.<br />

Die besondere Gefährlichkeit dieses Phänomenbereichs begründet sich einerseits in der ideologischen<br />

Radikalität seiner Anhänger (als ausgeprägte Verfechter des sog. pan-islamischen Ansatzes, der die Verteidigung<br />

der muslimischen Welt gegen "Ungläubige" propagiert, verbunden mit der militanten Ablehnung<br />

grundsätzlicher westlicher Werte), andererseits mit dem Wissen dieser Personen um das "knowhow"<br />

terroristischer Anschläge sowie der Möglichkeit des Rückgriffs auf die für die Durchführung von<br />

Terroraktionen erforderliche Logistik.<br />

In jüngerer Zeit gelang den Strafverfolgungsbehörden in Deutschland die Festnahme mehrerer Angehöriger<br />

einer diesem Netzwerk zuzurechnenden Gruppierung. Die in diesem Zusammenhang erlangten In-<br />

941 Nachfolgendes Kapitel konzentriert sich weitgehend auf Gruppierungen, die derzeit in Deutschland aktiv sind. Die potentielle<br />

Bedrohung der inneren <strong>Sicherheit</strong> Deutschlands durch den internationalen Terrorismus ist freilich für das Bundeskriminalamt<br />

und auch für die Verfassungsschutzbehörden nach wie vor ein wichtiges Thema.<br />

942 Deren illegale Aktivitäten und gewalttätigen Aktionen werden von politischen Entwicklungen und aktuellen Ereignissen in<br />

den jeweiligen Herkunftsländern bestimmt und lediglich über die Anwesenheit entsprechender Emigrationsgruppen zu einem<br />

Problem für die deutsche Gesellschaft.<br />

943 Vgl. BUNDESMINISTERIUM DES INNERN (Hg.), 2000, S. 151.<br />

944 Laizistische Staatsordnungen basieren auf dem Prinzip der Trennung von Staat und Religion.<br />

PSB

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