Innere Sicherheit
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Seite 120<br />
frage dar: Wie ist das Verhältnis der Investitionskosten für den Schutz vor Diebstahl und dem Nutzen, der<br />
durch eine Verringerung der Inventurdifferenzen erhalten werden kann? 370<br />
PSB<br />
(7) Die Ladendiebstahlsquote ist präventiv beeinflussbar. Mitarbeiterschulungen gelten im Handel als die<br />
wirksamste Präventionsstrategie. 371 Dabei ist das Ansprechen von Kunden besonders wirksam, weil dadurch<br />
die Anonymität der Kunden durchbrochen wird; das wirkt präventiv. Ferner haben Untersuchungen<br />
gezeigt, dass die Sicherung der Waren durch elektronische Artikelsicherung (EAS) die Bestandsdifferenzen<br />
um die Hälfte reduzieren kann. 372 Verstärkte Investitionen in diese elektronischen Sicherungstechniken<br />
in den letzten Jahren haben zweifellos zur Senkung der Ladendiebstahlsziffern beigetragen. Dabei<br />
spielt eine Rolle, dass <strong>Sicherheit</strong>sschleusen ein halo-effect, d. h. eine über die faktische Sicherung hinausgehende<br />
Breitenwirkung auch für ungesicherte Güter zukommt. Die Unkenntnis der Funktionsweise<br />
des jeweils eingesetzten Systems fördert bei Kunden eine generelle Zurückhaltung, Diebstähle zu begehen.<br />
373<br />
Bei einer umfassenden Problemanalyse ist zu beachten, dass die Verkaufstechnik der freien Warendarbietung<br />
verbunden mit der Erwartung, dass Kunden für den Erwerb ins Auge gefasster Waren Kassen<br />
aufsuchen, in starkem Maße von der Geltung des Wertes Redlichkeit abhängt. Während nach wie vor<br />
wertvolle Waren nur unter der Kontrolle von Verkäufern vom Kunden geprüft werden können, ist Massenware<br />
frei zugänglich. Dabei beruht die Verkaufsbeziehung auf einem Vertrauensvorschuss, der möglicherweise<br />
immer weniger gerechtfertigt ist. Die Geltung von Normen ist in der Wahrnehmung insbesondere<br />
von Kindern und Jugendlichen - aber keineswegs nur bei ihnen - entsprechend des Entwicklungsstandes<br />
ihres moralischen Bewusstseins abhängig davon, inwieweit Normen durch Kontrolle durchgesetzt<br />
werden. 374 Laxe <strong>Sicherheit</strong>svorkehrungen werden in dieser Sicht als Autoritätsschwäche und Verzicht auf<br />
Normdurchsetzung gewertet. Daraus ergibt sich eine Schere: Einerseits wird zunehmend an Personal bei<br />
Verkauf und Kassen zugunsten der Selbstbedienung gespart, wodurch der Vertrauensvorschuss auf immer<br />
größere Probe gestellt wird. Andererseits impliziert die Preisgabe der Warensicherung bei Massenartikeln<br />
in der Optik der Kunden eine wachsende Risikofreudigkeit zu Lasten des Eigentumsanspruchs. Dieses<br />
Auseinanderklaffen bewirkt eine Legitimitätsbedrohung von Normen. Ihr kann nur vom Warenbesitzer<br />
selbst, kaum durch Strafverfolgung allein entgegengewirkt werden.<br />
Im Ergebnis bedeutet das, dass zur Lösung dieses, aus der Umstellung der Verkaufsstrategie auf Selbstbedienung<br />
resultierenden Kriminalitätsproblems umfassendere Ansätze erforderlich sind, als sie Strafverfolgung<br />
bieten kann. Ein Delikt, für das die gesamte Bevölkerung anfällig ist, verlangt eine Prüfung der<br />
Frage, wieweit die Steuerungsmöglichkeiten durch Strafverfolgung reichen, unter welchen Bedingungen<br />
diese überfordert sind, und inwieweit sie verstärkt durch präventive Maßnahmen ergänzt werden müssen.<br />
Wahrscheinlich können für jedermann erkennbare Präventionsbemühungen seitens der potenziellen Opfer<br />
der Normenerosion entgegenwirken.<br />
2.3.4.2 Taschendiebstahl<br />
Eine weitere geläufige Form des einfachen Diebstahls ist Taschendiebstahl, der lange Zeit rückläufig war,<br />
aber in den neunziger Jahren wieder zunahm und in den Jahren 1995 und 1996 Maximalwerte erreichte.<br />
Seither sinkt die Häufigkeit, ist aber noch doppelt so hoch wie im Jahr 1988, der Zeit vor Beginn der<br />
großen binneneuropäischen Migration. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zuwanderung in den neunziger<br />
Jahren Auswirkungen auf diese Zunahme von Taschendiebstahl hatte. Unter den Tatverdächtigen ist<br />
370 Zur Problemanalyse vgl. CLARKE, R., 1999, Kapitel 4.<br />
371 Vgl. VON POGRELL, H., 1999, S. 45 f.<br />
372 Vgl. HORST, F., 2000, S. 6.<br />
373 Vgl. SCHERDIN, M. J., 1992, S. 137.<br />
374 Zum konventionellen Moralverständnis vgl. KOHLBERG, L., und E. TURIEL, 1978, S. 19.