Innere Sicherheit
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PSB Seite 325<br />
aus ergab sich u. a.: Die Landkreise mit hoher Zuwanderung zeigten einen weit höheren Anstieg der<br />
polizeilich registrierten Kriminalität als der Durchschnitt der Landkreise, erst recht die Gruppe der Landkreise<br />
mit geringer Zuwanderung; dies galt bei Straftaten insgesamt, aber besonders für Gewaltdelikte,<br />
Drogendelikte und Diebstahl. Die Tatverdächtigenbelastungszahl der jungen deutschen Tatverdächtigen<br />
im Alter von 14 bis unter 21 Jahren stieg bei den Raubtaten in Landkreisen mit hoher Zuwanderung um<br />
rund 250%, in Landkreisen mit geringer Zuwanderung um nur rund 76%; bei Ladendiebstahl lauteten die<br />
Werte rund 140% gegenüber rund 19%, bei den Fällen von illegalem Handel und Schmuggel von Betäubungsmitteln<br />
stand ein mehr als achtfacher Anstieg einem nur gut zweieinhalbfachen Anstieg gegenüber.<br />
Unter der von den Autoren bejahten Prämisse, dass sich die Kontrollstrategien der Polizei in dem fraglichen<br />
Zeitraum in diesen Landkreisen nicht unterschiedlich entwickelt haben, und mit Blick auf den weiteren<br />
Befund, dass sich Parallelen zwischen der Kriminalitätsentwicklung und der wirtschaftlichen und<br />
sozialen Lebenssituation der (jungen) Aussiedler zeigten, können die Ergebnisse 1020 als gewichtiger Hinweis<br />
auf einen tatsächlichen Anstieg der Straffälligkeit eingeschätzt werden, natürlich nicht als schlüssiges<br />
Beweiskriterium dafür, dass Spätaussiedler dafür alleine oder maßgeblich verantwortlich wären.<br />
Seither sind detailliertere Analysen möglich geworden. Aufgrund der dadurch gewonnenen Ergebnisse<br />
kann zwar nach wie vor kein verlässliches Bild für ganz Deutschland gezeichnet werden. Jedoch schälen<br />
sich erste Grundbefunde für ausgewählte Länder, Regionen oder (große) Städte heraus, die man mit Vorsicht<br />
vorläufig verallgemeinern kann.<br />
Zunächst gibt es Befunde, die deutlich gegen eine höhere Kriminalitätsbelastung von Spätaussiedlern<br />
sprechen: Einzelne Länder haben für ihre PKS die durchgängige Erfassung des Geburtslandes bzw. des<br />
Geburtsortes der Tatverdächtigen angeordnet. In Kombination mit weiteren Merkmalen kann daraus die<br />
Gruppe der Spätaussiedler mit vertretbarer Genauigkeit aus der Gesamtgruppe der deutschen Tatverdächtigen<br />
herausgerechnet werden. Die bislang umfangreichste Analyse mit entsprechend gewonnenen Daten<br />
wurde von der Kriminologischen Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei im Landeskriminalamt Bayern<br />
durchgeführt und durch verschiedene weitere Primärerhebungen in ausgewählten Städten bzw. Regionen<br />
Bayerns ergänzt. Danach ergab sich durchweg, dass sich die Spätaussiedler als Gesamtgruppe in<br />
keiner Hinsicht bedeutsam von den "sonstigen Deutschen" in Umfang und Struktur der registrierten Kriminalität<br />
unterscheiden 1021 , was Detailunterschiede bezüglich einzelner Deliktstypen nicht ausschließt.<br />
Das KFN führte in den letzten Jahren sowohl umfangreiche Auswertungen von Jugendgerichtsakten in<br />
Hannover für die Jahre 1990, 1993 und 1996 durch, als auch repräsentative Schülerbefragungen in Hamburg,<br />
Hannover, Leipzig und Stuttgart im Jahr 1998. Dabei wurden die fast 10.000 Schüler u. a. anonym<br />
danach befragt, ob sie Opfer bestimmter Taten oder selber Täter geworden waren. Auch hier ergab sich<br />
generell, dass die Spätaussiedler in ihrem selbstberichteten Problemverhalten sehr nahe bei den Angaben<br />
der (schon länger) einheimischen deutschen Schüler liegen. Bezüglich selbstberichteter Gewaltkriminalität<br />
ergab eine zusammenfassende Einstufung anhand einer so genannten gewichteten Täterrate insgesamt<br />
ebenfalls eine vergleichbare Belastung, jedoch im Detail folgenden Unterschied: für die jungen Spätaussiedler<br />
aus der früheren Sowjetunion zeigte sich sogar eine um rund dreißig Punkte niedrigere Belastung<br />
im Vergleich zu den einheimischen deutschen Schülern, während die Aussiedler aus anderen Staaten um<br />
rund fünfundzwanzig Punkte höher lagen. 1022 Bei der Schülerbefragung 2000 konnten die Forscher in der<br />
Größenordnung vergleichbare Werte feststellen. 1023<br />
Das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld befragte zwischen<br />
November 1998 und Februar 1999 im umfangreichen quantitativen Teil einer empirischen Studie<br />
1020 Siehe PFEIFFER, C. u. a., 1996, mit vielen weiteren Details.<br />
1021 Siehe LUFF, J., 2000, insbesondere S. 36 ff.<br />
1022 Vgl. ausführlich mit vielen weiteren Details PFEIFFER, Ch. u. a., 1998.<br />
1023 Siehe auch unten das Schwerpunktkapitel Jugendkriminalität.