Innere Sicherheit
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PSB Seite 97<br />
im Bundeszentralregister vorgenommen. Ferner wurden in 302 Fällen katamnestische Nachuntersuchungen<br />
durchgeführt. Der Katamnesezeitraum, für den eine Rückfälligkeit analysiert werden konnte, betrug<br />
mindestens zehn Jahre und belief sich im Durchschnitt auf über 25 Jahre. Im Rahmen der persönlichen<br />
Katamnesegespräche wurden auch Fragen zum Sexualverhalten nach der Entlassung gestellt.<br />
Tabelle 2.2.1-9: Erneute Dissexualität bei begutachteten Sexualstraftätern<br />
Hauptdeliktgruppe N Weiterhin dissexuell Strafverfolgt<br />
Inzesttäter 37 21,6% 5,4%<br />
Exhibitionisten 54 46,3% 31,5%<br />
Dissexuelle Gewalttäter 60 30,0% 13,3%<br />
Pädophile (bi/homosexuell) 59 50,8% 25,4%<br />
Pädophile (heterosexuell) 62 24,2% 12,9%<br />
Datenquelle: BEIER, K. M.,1997, S. 17.<br />
BEIER untersucht dabei die so genannte "Dissexualität" mit der das sich "im sexuellen ausdrückende<br />
Sozialversagen" kennzeichnet, womit vor allem der sich in sexueller Delinquenz ausdrückende Aspekt<br />
gestörter sozialer Bedeutung von Sexualität hervorgehoben und dessen Analogie zum Begriff der "Dissozialität"<br />
betont werden soll. Auf Basis der Daten der Probanden aus den persönlichen Katamnesegesprächen<br />
bestimmt BEIER die Raten der weiterhin als "dissexuell" aktiven Personen. Zu beachten ist dabei,<br />
dass die zeitlichen Intervalle, in denen ein möglicher Rückfall im Sinne der erneuten bzw. fortbestehenden<br />
Dissexualität sich ereignet haben könnte, bei den einzelnen Untersuchungsteilnehmern eine sehr<br />
große und zudem unterschiedliche Spanne von 10 bis 28 Jahren aufweisen.<br />
Zwar ist in der Tat fraglich, inwieweit sich weit zurückliegende Begutachtungsfälle auf die heutige Situation<br />
übertragen lassen. 316 Gleichwohl ist es bemerkenswert und stimmt in der Tendenz mit den internationalen<br />
Befunden überein, dass eine fortbestehende sexuelle Auffälligkeit in der Mehrheit der Fälle nicht<br />
festzustellen ist. Allerdings zeigt sich auch, dass unterschiedliche Formen sexueller Devianz hier zu trennen<br />
sind, und zwar sowohl im Hinblick auf erneute sexuelle Auffälligkeit als auch bezüglich der Wahrscheinlichkeit<br />
einer erneuten Strafverfolgung. So war beispielsweise bei den Inzesttätern festzustellen,<br />
dass etwa ein Fünftel erneut dissexuell war, wovon aber nur jeder Vierte strafverfolgt wurde. Demgegenüber<br />
war die erneute Auffälligkeit bei Exhibitionisten zwar höher, zugleich wurden aber auch etwa drei<br />
Viertel von ihnen wieder strafverfolgt. Dieser Befund korrespondiert mit den Hinweisen auf deliktspezifisch<br />
unterschiedlich große Dunkelfeldanteile, die ihrerseits wiederum mit der Täter-Opfer-Beziehung im<br />
Zusammenhang stehen. Besonders auffallend ist, dass etwa die Hälfte der bi- oder homosexuellen Pädophilen<br />
weiterhin dissexuelle Verhaltensweisen zeigten, wovon jedoch nur die Hälfte auch strafverfolgt<br />
wurde.<br />
Weitere Binnendifferenzierungen lassen zudem erkennen, dass auch innerhalb der Deliktsgruppen wichtige<br />
Unterschiede bestehen. So zeigt sich beispielsweise für Inzestdelikte, dass pädophil motivierte Inzesttäter<br />
eine deutlich höhere Rückfälligkeit aufwiesen als die so genannten Konstellationstäter. Bei den<br />
pädophilen Tätern sind die Raten erneuter Dissexualität sowohl bei den bi- und homosexuell orientierten<br />
als auch bei den heterosexuell orientierten Pädophilen dann wesentlich höher (Rückfallquote 85%), wenn<br />
es sich bei der Pädophilie um eine Hauptströmung handelt, nicht aber jugendlichen unerfahrenen Tätern<br />
ohne eine derartige Ausrichtung (Rückfallquote 8%).<br />
Insgesamt verweisen diese Resultate darauf, dass eine Binnendifferenzierung der Art des sexuell abweichenden<br />
Verhaltens sehr bedeutsam ist, wenn es um die Einschätzung von Rückfallgefährdungen geht.<br />
Außerdem ist angesichts der Befunde zur Strafverfolgung weiter bestehender Dissexualität offenkundig<br />
316 Vgl. LÖSEL, F., 1999a, S. 284.