Innere Sicherheit
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PSB Seite 231<br />
2.8.6 Ausblick<br />
Erste Bedingung für eine ausgewogene Drogenpolitik ist es, den Umgang mit Drogen nicht isoliert von<br />
den historischen Vorbedingungen sowie von den aktuellen Umfeldbedingungen in kultureller, sozialer<br />
und ökonomischer Hinsicht zu betrachten. Dies verringert die Gefahr, wirkungslose Maßnahmen einzuleiten<br />
oder sogar kontraproduktive Wirkungen zu erzeugen. Zweite Bedingung ist die Anerkennung der<br />
Tatsache, dass Drogen schon immer in die Geschichte der Menschheit eng eingewoben sind. Jede Gesellschaft<br />
und jede Zeit hat "ihre" dominante Droge. In Deutschland dominiert schon immer und nach wie<br />
vor der Alkohol. Folgerichtig wird er im Grundansatz nicht kriminalisiert, sondern je nach Reinheitsgrad<br />
in unterschiedlicher Dichte kontrolliert. Die Gefahren des Alkoholkonsums für den Straßenverkehr sind<br />
infolge umfangreicher Programme und Interventionen auf unterschiedlichen Ebenen heute besser beherrscht<br />
als dies früher der Fall war. Alkoholeinfluss spielt allerdings auch eine bedeutsame Rolle als<br />
Begleit- und Auslösefaktor bei Gewaltdelikten. Das Gewaltpotential von Drogen ist demgegenüber deutlich<br />
geringer. Jedoch kann bei Drogenabhängigkeit die zielgerichtete Gewalt zur Beschaffung von Drogen<br />
oder von Geld zum Erwerb von Drogen durchaus zur Geltung kommen, was sich nach Forschungen besonders<br />
im Drogenmilieu selber bemerkbar macht. Die registrierte Drogenkriminalität im engern Sinne<br />
(also Verstöße gegen das BtMG) steigt seit langen Jahren relativ deutlich und gleichmäßig an. Insofern<br />
Drogendelikte zur Hol-Kriminalität gehören, ist die Zahl der registrierten Fälle zunächst ein Indikator für<br />
den Effekt polizeilichen (pro-aktiven) Kontrollverhaltens. Jedoch scheint der Trend der Entwicklung mit<br />
dem Trend im Dunkelfeld strukturell übereinzustimmen, wie Repräsentativbefragungen vor allem zum<br />
Gebrauch von Cannabis zeigen.<br />
Der Anstieg der Sicherstellungen von Drogen, zentral von Heroin, korrespondiert sehr eng mit der Entwicklung<br />
der Drogentodesfälle, etwas weniger eng mit der Entwicklung der polizeilich entdeckten Erstkonsumenten<br />
harter Drogen. Insgesamt deutet dies darauf hin, dass über die PKS und die Falldatei<br />
Rauschgift reale Entwicklungen im Feld, wenngleich nicht verzerrungsfrei, abgebildet werden.<br />
Das Drogenstrafrecht bildet einen Teil von breit gestreuten Bemühungen, Repression und Prävention<br />
sinnvoll miteinander zu verknüpfen bzw. aufeinander zu beziehen. Flexible Lösungen können von der<br />
Ebene des Vorverfahrens (Diversionsmaßnahmen) bis zum Strafvollzug reichen. Die Zurückstellung der<br />
Strafvollstreckung zugunsten einer Drogentherapie bei einem anerkannten Träger ("Therapie statt Strafe")<br />
hat sich als Besonderheit des Drogenstrafrechts bewährt. Es gibt immer wieder Forderungen dahingehend,<br />
entsprechende Möglichkeiten auch für alkoholabhängige Verurteilte einzuführen. Methadonprogramme<br />
und andere Substitutionsprogramme sind nicht ohne deutliche Risiken, jedoch unverzichtbarer<br />
Teil eines komplexen Maßnahmen- bzw. Angebotsbündels, um Drogenabhängigen den Ausstieg aus der<br />
Sucht überhaupt erst zu ermöglichen oder zu erleichtern. Die seit April 2000 aufgrund des<br />
3. Betäubungsmittel-Änderungsgesetzes in Verantwortung der Länder nach § 10 BtMG zulässige legale<br />
Bereitstellung von Möglichkeiten für Drogenabhängige, unter vor allem hygienisch kontrollierten Bedingungen<br />
in besonderen Konsumräumen (auch "Gesundheitsräume" oder "Fixerstuben" genannt) Spritzen<br />
zu setzen und zudem Beratung in Anspruch zu nehmen, wird aufgrund bisheriger Erfahrungen mit experimentellen<br />
Einrichtungen helfen, normalerweise nur schwer ansprechbaren Schwerstabhängigen Anreize<br />
zum Ausstieg aus dem Zirkel von Sucht und Kriminalisierung zu verschaffen. Das Gesetz verfolgt im<br />
übrigen die Zielsetzung der Bundesregierung, Gesundheitsschäden zu verringern und Überlebenshilfe zu<br />
leisten. Auch können akute gesundheitliche Krisen viel besser als unter den sonst üblichen Bedingungen<br />
aufgefangen und insbesondere Drogentodesfälle vermieden werden. In dieser Hinsicht ist es bemerkenswert,<br />
dass diejenigen Einrichtungen, die über lange Jahre hinweg in einer rechtlich ungesicherten Situation<br />
das Konzept erprobt haben, bei einer Zahl von mehreren hunderttausend Injektionen, die sich Süchtige