Innere Sicherheit
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Seite 232<br />
PSB<br />
dort setzten, keinen einzigen Todesfall zu verzeichnen hatten. 780 Das Gesetz wird auch den völkerrechtlich<br />
verbindlichen internationalen Suchtstoffabkommen gerecht, die der gesundheitlichen Prävention<br />
Vorrang vor der Strafverfolgung einräumen, wenn eine strenge Kontrolle gewährleistet ist und möglichem<br />
Missbrauch vorgebeugt wird. 781<br />
Sozial umfassend desintegrierte Drogenabhängige, insbesondere solche, die schon mehrere Strafen oder/und<br />
(erfolglose) Therapieversuche hinter sich haben, können erfahrungsgemäß weder durch die üblichen<br />
Sanktionen noch durch die üblichen therapeutischen Angebote wirklich innerlich "erreicht" werden.<br />
Für solche Probanden bietet sich als Mittel zu ersten Stabilisierung, mit der der Boden für weitere Behandlungen<br />
geschaffen werden soll, die ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln an. In der<br />
Schweiz, in der solche Programme zunächst experimentell zwischen 1994 und 1996 gelaufen sind, hat<br />
das Bundesamt für Gesundheit, auch unter Rücksicht auf die in Teilen heftige Diskussion und kritische<br />
Infragestellung der in der Begleitforschung gewonnenen Ergebnisse 782 , die abschließende Folgerung gezogen,<br />
dass (insbesondere) die Verschreibung von Heroin nachweislich nützliche Wirkungen für die Probanden<br />
selber und erst recht für die <strong>Innere</strong> <strong>Sicherheit</strong> hat. 783 Konsequenterweise hat das Schweizer Parlament<br />
im Oktober 1998 einen Gesetzesartikel verabschiedet, der die ständige Einrichtung spezieller<br />
Behandlungszentren für diese Maßnahme vorsieht. Die Schweizer Bevölkerung hat diesen Artikel in<br />
einem Referendum vom Juni 1999 mit deutlicher Mehrheit bestätigt.<br />
Für Deutschland hält die Bundesregierung die im Ausland gemachten Erfahrungen hinreichend sicher, um<br />
auch hierzulande weiterführende Einsichten zu gewinnen. Deshalb hat das Bundesministerium für Gesundheit<br />
einen Modellversuch zur heroingestützten Behandlung von Opiatabhängigen initiiert. Ziel (auch)<br />
dieses Projekts ist es, genauere Kenntnis darüber zu erlangen, ob und wie die Gruppe der langjährig verelendet<br />
Drogenabhängigen mit diesem zusätzlichen Behandlungsangebot erreicht werden kann und ob<br />
ihre gesundheitliche und soziale Situation damit verbessert wird. Darüber hinaus soll untersucht werden,<br />
ob die Motivation für eine Abstinenzbehandlung steigt. Das Modellprojekt erfolgt im Rahmen einer klinischen<br />
Prüfung des heroinhaltigen Arzneimittels und soll vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte<br />
nach § 3 Abs. 2 BtMG genehmigt werden.<br />
Der Kokainkonsum wurde in jüngster Vergangenheit in den Medien zunehmend thematisiert, wobei im<br />
Mittelpunkt des Interesses vorwiegend prominente Persönlichkeiten standen. Demgegenüber ist die polizeiliche<br />
Erkenntnislage recht gering, anders als bei Heroin, wo durch die soziale Auffälligkeit vieler Konsumenten<br />
sowie aufgrund von empirischen Studien die Situation und die damit verbundene Delinquenz<br />
recht genau beschreibbar sind. Beim Kokainkonsum deutet sich ein großes Dunkelfeld schon durch den<br />
Umstand an, dass die Steigerungen der geschätzten Produktions- und der realisierten Sicherstellungsmengen<br />
sich nicht in der Gesamtzahl der polizeilich registrierten erstauffälligen Konsumenten von Kokain<br />
widerspiegeln. Das Bundeskriminalamt plant daher die Durchführung einer Studie, um die Wissensdefizite<br />
bei den Strafverfolgungsbehörden, im Gesundheitswesen und in der Wissenschaft zu beheben. Es soll<br />
eine Typologie der Kokainkonsumenten anhand der Merkmale "soziodemographische Daten", "Konsummuster",<br />
"Konsumkarriere" (u. a. Faktoren des Einstiegs und des Ausstiegs) sowie "Beschaffungsmodalitäten"<br />
entworfen werden. Aus polizeilicher Sicht sollen vor allem ein Lagebild erstellt sowie Ansatzpunkte<br />
für kriminalpräventive Maßnahmen gewonnen werden. Aufgrund vorbereitender Arbeiten, auch<br />
einer Auswertung der internationalen Literatur, fand zu Ende des Jahres 2000 ein Workshop im Bundes-<br />
780 Siehe die Angaben und die weitere Diskussion bei PREUSSE, M., 1999, S. 235 ff.<br />
781 Vgl. die Stellungnahme der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Christa Nickels nach der entscheidenden Abstimmung<br />
im Bundesrat: "Erläuterungen zur Sucht- und Drogenpolitik" (m. w. N.), Bonn, 26. Februar 2000. Im Internet eingestellt unter<br />
http://www.bmgesundheit.de/themen/drogen/erlaut/raeume.htm.<br />
782 Vgl. dazu den neuesten Überblick bei HAUPTMANN, W., 2000, S. 78 ff.<br />
783 Vgl. BUNDESAMT FÜR GESUNDHEIT (Hg.), 1999, S. 8.