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Innere Sicherheit

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PSB Seite 293<br />

pointierten Variante wird der neue Rechtsextremismus als Konsequenz der neoliberalen Marktradikalität<br />

angesetzt: "Der aktuelle Rechtsextremismus und Rechtspopulismus beruht auf einer Brutalisierung, Ethnisierung<br />

und Ästhetisierung alltäglicher Konkurrenzprinzipien." 926 Offen bleibt freilich, warum sich die<br />

fremdenfeindliche Gewalt schubartig in den neunziger Jahren ausgebreitet hat.<br />

Auf diese Fragen antwortet - drittens - die These des „Konflikts um die Einwanderung“, die die Eskalation<br />

von Einwanderungskonflikten und die politische Brisanz von Fremdheitserfahrungen in den Vordergrund<br />

rückt. Die massive Zuwanderung von über vier Millionen Aussiedlern und Asylbewerbern zwischen<br />

1988 und 1992 hat zu zunehmendem Stress und Konflikten in den Aufnahmeorten geführt. Dem<br />

folgte eine intensive Einwanderungs- und Asylrechtsdebatte, während der sich die in Bund und Ländern<br />

regierenden Parteien bis zum Asylrechtskompromiss von 1993 nicht auf einen Weg der Problembewältigung<br />

einigen konnten. Dies wiederum hat Chancen für rechte Parteien und jugendliche Schläger eröffnet.<br />

In Teilen der Bevölkerung entwickeln sich Vorstellungen von Konkurrenz um Arbeitsplätze und Wohnraum<br />

und einer "ungerechten" Bevorzugung von Einwanderern durch den Staat. In diesem Zusammenhang<br />

wird die Zugehörigkeit zum deutschen Volk als Ausschließungsgrund gegen Einwanderer für viele<br />

attraktiv. 927 Über den Volksgedanken findet dann auch der Antisemitismus und der Kampf gegen<br />

"Schädlinge des Volkes" eine neue Renaissance. In diesem Zusammenhang konnten sich gewaltbereite<br />

fremdenfeindliche jugendliche Subkulturen eine politische Bedeutung zuschreiben. Erklärt wird freilich<br />

durch diese Entstehungsbedingungen nicht, warum Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sich in<br />

den neuen Ländern verstärkt festgesetzt haben, in denen vergleichsweise wenige Zuwanderer leben.<br />

Hierfür wird - viertens - neben dem Hinweis darauf, dass die Bürger der DDR kaum Gelegenheit hatten,<br />

den Umgang mit Einwanderern zu lernen, vor allem die These der autoritären Reaktion auf Anomie ins<br />

Feld geführt. Die Verunsicherung durch den Zusammenbruch des sozialistischen Systems, verstärkt durch<br />

die ganz neue Angst vor Arbeitslosigkeit, führt zu dem Versuch, sich durch die Zugehörigkeit zu dem<br />

"einen Volk" zu stabilisieren 928 , das dann gegen „Eindringlinge“ verteidigt werden muss.<br />

Die vier Erklärungsmuster sind teilweise durchaus kompatibel. Probleme familialer Sozialisation können<br />

zu verstärkter Vorurteilsneigung und Gewaltbereitschaft führen. Unter den Bedingungen einer verstärkt<br />

wahrgenommenen ökonomisch-beruflichen Konkurrenzsituation sowie angesichts der Vorstellungen von<br />

einer Gemeinschaft, die gegen einen weiteren Zustrom zu verteidigen sei, können Vorurteile und Gewaltbereitschaften<br />

dann durchaus handlungswirksam werden.<br />

Über diese Erklärungen von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in den neunziger Jahren hinaus<br />

ist zu bedenken, dass alle Ideen attraktiv sind, die das Individuum als Teil eines größeren Ganzen<br />

begreifen und dem einzelnen Lebenslauf einen Sinn zuweisen, der aus der Mitwirkung an dem vorgestellten<br />

Schicksal der imaginierten Gemeinschaft erwächst. Gerade für junge Leute, deren Leben noch<br />

nicht in den Routinen des Alltags seine Aufgaben und Erfüllungen findet, sind solche Konzeptionen<br />

faszinierend. Eben darum dürfte die Erkenntnis, dass die Menschheit gegenwärtig zu einer Weltgesellschaft<br />

zusammen findet und darum einer humanen und ökologischen Solidarität bedarf, und die Erfahrung,<br />

dass man an diesem Auftrag auch in Gemeinschaft mit Anderen mitwirken kann, geeignet sei, nationalistischen<br />

und rassistischen Ideologien entgegenzutreten. Der Mensch ist nicht nur homo oeconomicus,<br />

sondern auch homo politicus - im Schlechten wie im Guten.<br />

926 MENSCHIK-BENDELE, J. und K. OTTOMEYER, 2000, S. 303; ähnlich auch BUTTERWEGE, C., 2000, der freilich stärker die<br />

Konkurrenzideologie des Neoliberalismus in den Vordergrund rückt.<br />

927 Vgl. hierzu WILLEMS, H., 1993, 1997; BAURMANN, M., 1997; ECKERT, R. (Hg.), 1998, ECKERT, R., 1999.<br />

928 Vgl. ÖSTERREICH, D., 1998, AHLHEIM, K. und B. HEGER, 2000.

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