Innere Sicherheit
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Seite 246<br />
PSB<br />
(1983; 1985). Oder besser gesagt, es ist in dem Sinne organisiert, dass es geplant ist, und dass die Aufgaben<br />
unter verschiedenen Personen verteilt sind. Aber es gibt kaum große 'Firmen', die mit illegalen Gütern<br />
und Dienstleistungen Geschäfte machen und mit entsprechenden Firmen auf dem legalen Markt verglichen<br />
werden können. Genau genommen ist es der illegale Status der Produkte, der die Produktion und<br />
den Vertrieb dieser Waren stark nachteilig beeinflusst und der bisher verhindert hat, dass sich große kriminelle<br />
Unternehmungen dauerhaft konsolidieren konnten. 825 Auch neueste tiefer gehende Analysen für<br />
den Bereich der Vereinigten Staaten von Amerika zeigen eindrücklich auf, dass sozusagen selbst im<br />
Mutterland der Syndikate von einer Vielfalt von Strukturen und Organisationsformen ausgegangen werden<br />
muss.<br />
Die Mikrostruktur von 'organized crime' kann man in Verdichtung umfangreichen Einzelbefunde wie<br />
folgt kennzeichnen: "Ebenso wenig wie es möglich ist, 'organized crime' an bestimmten persönlichen<br />
Charakteristika der Beteiligten festzumachen, kann die Betrachtung auf bestimmte Organisationsformen<br />
reduziert werden. Denn der durch den 'organized crime'- Begriff vorgegebene Rahmen umfasst eine Vielzahl<br />
verschiedenster Ausprägungen mehr oder weniger dauerhafter Kooperationsbeziehungen. Selbst<br />
wenn man sich auf den Bereich des 'traditional organized crime', also die 'Cosa Nostra', beschränken<br />
würde, reichte das Modell einer einzigen Organisation nicht aus, um das Geflecht von Strukturen unterschiedlicher<br />
Funktionszusammenhänge sinnvoll zu erfassen. Überhaupt erscheint es nicht zwingend, die<br />
Frage, wie organisiert 'organized crime' ist bzw. sein kann, allein im Sinne des Organisationsgrads krimineller<br />
Gruppen zu verstehen. Genauso ist es möglich, das Wort 'organized' primär auf bestimmte Handlungsmuster<br />
zu beziehen." 826<br />
Und weiter gilt: "Betrachtet man (...) 'organized crime' in einem Gesamtbild, erscheint es aus einer Vielzahl<br />
von zum Teil miteinander verbundener Netzwerke zu bestehen, deren Beteiligte in vielfältigen, mitunter<br />
organisationsartigen, tendenziell aber einfachen und ständigen Wandlungen unterworfenen Strukturen<br />
bei kurz- oder längerfristig angelegten Vorhaben zusammenwirken. Der Zusammenhalt wird wesentlich<br />
durch subkulturelle, freundschaftliche und vor allem verwandtschaftliche Bindungen gewährleistet,<br />
die durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu Geheimgesellschaften wie der 'Cosa Nostra' verstärkt werden<br />
können. Dichte Geflechte gegenseitiger Kontakte, die zur Begehung von Straftaten, der Verwertung daraus<br />
erzielter Erträge und zur Absicherung vor Strafverfolgung genutzt werden, können aus der Distanz<br />
den Eindruck komplexer, konglomeratartiger Organisationen erwecken, die in großem Maßstab illegale<br />
Geschäfte betreiben und die Strafverfolgungsorgane korrumpieren. Aus der Nähe betrachtet scheint es<br />
jedoch zutreffender zu sein, einerseits von sozialen Netzwerken und Geheimorganisationen, andererseits<br />
aber von einzelnen Patron-Klientel-Verhältnissen, Geschäftspartnerschaften und kleineren Unternehmen<br />
zu sprechen, die keinen übergeordneten organisatorischen Zusammenhang aufweisen." 827<br />
2.9.4 Begriffsbestimmung für Belange der praktischen Strafverfolgung<br />
Im Hinblick auf die in positiver Formulierung komplexe beziehungsweise in negativer Formulierung<br />
unübersichtliche Lage verwundert es nicht, dass auch keine einheitliche Meinung besteht, ob der Gesetzgeber<br />
versuchen darf oder sogar muss, einen offiziellen Begriff der Organisierten Kriminalität zu entwickeln.<br />
Der deutsche Gesetzgeber hat sich, im Unterschied zu Italien und auch den USA 828 , bislang nicht<br />
825<br />
PAOLI, L., 1999, 437 mit weiteren Details und Nachweisen. Vgl. zum Argument des „desorganisierten Verbrechens“ auch<br />
Hess, H., 1992, S. 315 ff.<br />
826<br />
VON LAMPE, K., 1999, S. 223 f.<br />
827<br />
VON LAMPE, K., 1999, S. 226 f.; vgl. auch NEUMAHR, A., 1999, S. 171 zum "Streit über die Strukturen". Der Gründer der<br />
"International Association for the Study of Organized Crime" nennt acht "Attributes" als charakteristisch für die (amerikanische)<br />
Organisierte Kriminalität; vgl. dazu ABADINSKY, H., 2000, S. 1.<br />
828<br />
Vgl. die Beispiele für die Bundesgesetzgebung und einzelne Staaten bei NEUMAHR, A., 1999, S. 42 ff.; aus der Sicht des<br />
Bundeskriminalamtes siehe auch FALK, B., 1997, S. 135 ff.; zu einem rechtsvergleichenden Überblick auch über andere Staaten<br />
bezüglich besonderer Ermittlungsmaßnahmen vgl. GROPP, W., 1993.