Innere Sicherheit
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Seite 288<br />
2.10.3.4 Der Gewaltdiskurs in der rechten Szene<br />
Ein der Szene militanter linksextremistischer Gruppierungen (vgl. 2.10.4.3) vergleichbarer Gewaltdiskurs<br />
existiert im Bereich des militanten Rechtsextremismus nicht. Es gibt so gut wie keine Tatbekennungen<br />
mit inhaltlicher Relevanz und bislang nur eine Handvoll schriftlicher Beiträge, die sich ausdrücklich mit<br />
der strategischen Option des Gewalthandelns befassen. Hieraus lassen sich nur punktuelle Erkenntnisse<br />
darüber gewinnen, in welchem Ausmaß Gewalthandlungen strategisch geplant und legitimiert werden.<br />
Immerhin gibt es innerhalb der rechten Szene aber Überlegungen zu einer strategisch geplanten und angewendeten<br />
revolutionären Gewalt und ein hohes, kaum steuerbares Aggressions- und Gewaltpotenzial<br />
insbesondere in Skinhead-Gruppen. So sprach z. B. ein namhafter Neonazi- und NPD/JN-Aktivist in den<br />
Jahren 1997 und 1998 vom "politischen (und militärischen) Kampf revolutionärer Bewegungen” und<br />
deutete an, dass man selber überall und zu jeder Zeit bestimme, was zu tun und für richtig zu halten sei:<br />
Man wolle Veränderungen und sei dafür bereit, "alles zu tun, was notwendig ist." 899 Rostock und Hoyerswerda<br />
sei nur die unterste Stufe des Widerstands im Sinne einer spontanen ‚Volkswut‘. Ein "auf die<br />
Beseitigung eines volksfeindlichen Systems" zielender Widerstand müsse dagegen "professionell geplant"<br />
sein. Ziel müsse der "inländische Kern der Feinde unseres Volkes" sein und nicht "irgendwelche unbekannten<br />
Ausländer". Als Zielpersonengruppen wurden die für die derzeitige Lage verantwortlichen "Politiker,<br />
Journalisten, Intellektuellen und Funktionäre" aufgezählt, die sich "in penetranter Weise antinational<br />
und pro-multikulturell (...) betätigt hätten" 900 . Man dürfe freilich nicht den Fehler der RAF machen,<br />
denn "das Volk ist noch nicht bereit dafür und lehnt Gewalt ab".<br />
Auch aus der Konfrontation mit linken militanten Antifa-Gruppen ergibt sich eine Debatte über die rechte<br />
Gewalt und Gewaltbereitschaft. Hier wird gefordert, dass die "bei den Gegnern stets ‘bewunderten’ Eigenschaften<br />
selbstverständliche Inhalte des eigenen nationalistischen Widerstandswillens werden bzw. in<br />
der entsprechenden Radikalität noch übertroffen werden” müssten. 901 Viel zulange seien zudem Nationalisten<br />
in der Öffentlichkeit "Freiwild" für linksautonome Gewalttäter gewesen. Nun sei die Zeit gekommen,<br />
"den Spieß herumzudrehen". 902<br />
Neben der instrumentell-strategisch konzipierten politischen Gewaltbereitschaft (insbesondere in den neonazistischen<br />
Gruppierungen) sowie der sich als Gegengewalt legitimierenden Gewaltbereitschaft (vor<br />
allem gegen Linke), gibt es bei den rechtsextremistischen und fremdenfeindlichen Skinheads eine hohe<br />
Gewaltbereitschaft, die sich selbst kaum als legitimationsbedürftig versteht und einhergeht mit einer<br />
eliminatorischen Hetze gegen Minderheiten, Ausländer, Juden, Linke etc. Das Internet ist mittlerweile für<br />
rechtsextremistische Parteien und Gruppierungen zu einem bevorzugten Medium der Selbstdarstellung<br />
und Agitation geworden. Ein Beleg dafür ist die Zunahme an eliminatorischen Hetztiraden, an Gewaltaufrufen<br />
und so genannten Hasslisten. Sie enthalten Angaben über Personen, die von rechten Gruppen als<br />
Feinde dargestellt und damit als potentielle Angriffsobjekte angesehen werden können. 903<br />
2.10.3.5 Struktur und biographische Hintergründe fremdenfeindlicher, rechtsextremistischer<br />
und antisemitischer Tatverdächtiger<br />
Die Trierer Untersuchung zu fremdenfeindlichen Tatverdächtigen hatte in den Jahren 1992 und 1993<br />
erstmals auf der Basis polizeilicher Einschätzungen eine empirische Grundlage hinsichtlich der Struktur,<br />
der biographischen Hintergründe sowie der Gruppenzugehörigkeit von fremdenfeindlichen Straftätern<br />
erarbeitet. 904 Für die Jahre 1997 und 1998 wurde von einer Münchener Forschungsgruppe eine Replikati-<br />
899 Einheit und Kampf, 5/1997, S. 15-16.<br />
900 Umbruch, 1995, S. 2-3.<br />
901 Einheit und Kampf, 1/1997, S. 3.<br />
902 Deutsche Stimme, Sonderbeilage März 2000.<br />
903 Zur spezifischen Bedeutung des Internets im Kontext rechtsextremistischer, politisch motivierter Gewalt siehe Kapitel 2.7.<br />
904 Vgl. WILLEMS, H. u. a., 1993; WILLEMS, H. u. a., 1994.<br />
PSB