Innere Sicherheit
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Seite 68<br />
1997/98 die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen der Gewaltkriminalität auf das 1,5fache erhöht.<br />
Dem steht ein Anstieg der gegenüber nichtdeutschen Gewalttätern insgesamt angeordneten Haftjahre um<br />
mehr als das dreifache gegenüber. Für die Deutschen ergeben sich folgende Vergleichszahlen: Einer<br />
relativen Zunahme der Anzahl der Tatverdächtigen der Gewaltkriminalität um den Faktor 1,1 steht ein<br />
Anstieg der Summe der gegen deutsche Angeklagte der Gewaltkriminalität ausgeurteilten Haftjahre um<br />
den Faktor 1,2 gegenüber. Für diese unterschiedliche Entwicklung des Inputs der Tatverdächtigen zum<br />
Output der Haftjahre wurden folgende Faktoren ermittelt:<br />
a) Die Quote der erwachsenen Tatverdächtigen der Gewaltkriminalität, die angeklagt wurden, hat sich<br />
bei Nichtdeutschen im Vergleich der Doppeljahre von 20,8% auf 26,1% erhöht, mithin stärker als bei<br />
den Deutschen wo sie von 27,4% auf 27,8% stieg, also nahezu unverändert blieb.<br />
b) Der Anteil der nichtdeutschen Angeklagten dieser Tätergruppe, die zu einer Freiheitsstrafe ohne<br />
Bewährung verurteilt wurden, ist in dem untersuchten Zeitraum von 15,6% auf 22,1% angestiegen,<br />
die der Deutschen hingegen nur von 18,7% auf 19,9%.<br />
c) Die durchschnittliche Dauer der verhängten Freiheitsstrafen hat bei den nichtdeutschen Verurteilten<br />
von 3,5 auf 4,3 Jahre zugenommen (Deutsche unverändert 3,6 Jahre).<br />
Als Folge dieser Veränderungen der Strafverfolgungspraxis hat sich pro 100 deutsche Angeklagte die<br />
Zahl der verhängten Haftjahre von 67,1 auf 71,6 erhöht. Bei den Nichtdeutschen ist dagegen ein Anstieg<br />
von 55 auf 95,7 Jahre zu verzeichnen. 195<br />
Die Tatsache, dass 1997/98 die nichtdeutschen im Vergleich zu den deutschen Angeklagten der Gewaltkriminalität<br />
zum einen häufiger und zum anderen für erheblich längere Dauer zu Freiheitsstrafen verurteilt<br />
wurden, erscheint auch deshalb überraschend, weil beträchtliche Unterschiede zur Anzahl der früheren<br />
Verfahren auftreten. Von allen erwachsenen deutschen Angeklagten dieser Tätergruppe hatten 16,4%<br />
ein makelloses polizeiliches Führungszeugnis, bei den nichtdeutschen Angeklagten waren das 28,6%. 196<br />
Auf der anderen Seite wiesen 14,6% der deutschen Angeklagten eine beachtliche Vorbelastung mit fünf<br />
und mehr früheren Verurteilungen auf, bei den nichtdeutschen waren das nur 5,7%. 197 Die Divergenzen<br />
der Strafzumessung zwischen Deutschen und Nichtdeutschen werden von daher noch größer, wenn man<br />
die Zahl der früheren Verurteilungen konstant hält. Beispielsweise ergeben sich für Angeklagte mit ein<br />
bis zwei früheren Verurteilungen dann pro 100 nichtdeutscher Angeklagte zwei- bis dreimal so viel<br />
Haftjahre wie bei 100 deutschen Angeklagten. 198<br />
Die Hypothese einer gegenüber nichtdeutschen Angeklagten härteren Sanktionspraxis ist allerdings mit<br />
diesen Befunden noch nicht hinreichend belegt. Es fehlen Informationen zu anderen Faktoren, die für die<br />
Strafzumessung von Bedeutung sind. Dies gilt z.B. im Hinblick auf eine etwaige Bewaffnung des Täters,<br />
die Höhe des finanziellen Schadens oder das Ausmaß der beim Opfer eingetretenen Verletzungen. Diese<br />
Aspekte sollen im weiteren Fortgang des KFN-Projektes im Wege von Aktenanalysen überprüft werden.<br />
Sollte sich auch bei Kontrolle dieser Einflussfaktoren für nichtdeutsche Angeklagte eine höhere Rate der<br />
zu Freiheitsentzug Verurteilten ergeben, so schließen sich daran folgende bislang offene Fragestellungen<br />
an:<br />
- Ist die Kommunikation vor Gericht bei Nichtdeutschen häufig durch sprachliche Verständigungsprobleme<br />
belastet? Welche Bedeutung hat dies gegebenenfalls für die Strafzumessung?<br />
195 Vgl. ebenda, S. 32 ff.<br />
196 Die hohe Ersttäterquote der nichtdeutschen Angeklagten dürfte auch damit zusammen hängen, dass Vorstrafen, die im Ausland<br />
verhängt wurden, in der Regel nicht bekannt werden.<br />
197 Dies dürfte auch daraus folgen, dass mehrfach auffällige nichtdeutsche Gewalttäter mit einer Ausweisung zu rechnen haben.<br />
198 Gegenüber 100 wegen Raubdelikten angeklagten Deutschen mit ein bis zwei früheren Verurteilungen errechnen sich für die<br />
Jahre 1997/98 128,3 Haftjahre; bei den Nichtdeutschen sind es 294,6 Haftjahre. Bei Angeklagten der gefährlichen/schweren<br />
Körperverletzung stehen 6,9 Haftjahre, die gegenüber deutschen Angeklagten verhängt wurden, bei den nichtdeutschen 18,5<br />
Haftjahre gegenüber. Vgl. PFEIFFER, C., SUHLING, S. und T. SCHOTT, 2000, S. 56.<br />
PSB