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Innere Sicherheit

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PSB Seite 297<br />

Eine exemplarische Betrachtung der Struktur der linksextremistischen Straftaten des Jahres 2000 verdeutlicht,<br />

dass ein Großteil der 3.173 registrierten Delikte unter die Rubrik "Sachbeschädigungen" zu<br />

fassen sind, nämlich 40% (1.292) Straftaten. Der Anteil der Körperverletzungsdelikte lag bei ca. 8% (260<br />

Straftaten); vollendete Tötungsdelikte wurden nicht registriert. Auffällig im Vergleich zu den übrigen<br />

Phänomenbereichen der Staatsschutzkriminalität ist die Zahl von Verstößen gegen §§ 125 ff. StGB<br />

(Landfriedensbruch) mit 321 registrierten Fällen (Anteil damit ca. 9%).<br />

Der ganz überwiegende Teil der verbleibenden Straftaten (979, ca. 1/3 aller Delikte) wird statistisch der<br />

Rubrik "andere Straftaten" zugeordnet. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Verstöße gegen das<br />

Versammlungsgesetz, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Diebstahl, Verunglimpfung des Staates<br />

u. s. w. Die Gesamtzahl der Gewaltdelikte (Tötungsdelikte, Körperverletzungen, Brand- und Sprengstoffdelikte,<br />

Landfriedensbruch, Gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr, Freiheitsberaubungen,<br />

Raub und Erpressungen) liegt für das Jahr 2000 bei 688; ihr Anteil an der Gesamtzahl<br />

der polizeilich registrierten linksextremistischen Straftaten beträgt damit 21,7%. Aufgrund der unterschiedlichen<br />

Deliktstrukturen im linksextremistischen Bereich (im Vergleich zum rechtsextremistischen)<br />

sind hier freilich spezifische Delikte in der Gewaltkategorie enthalten (z. B. gefährliche Eingriffe in den<br />

Bahn-, Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr), die im Bereich der rechtsextremistischen Straftaten fehlen.<br />

Schaubild 2.10-7 verdeutlicht, dass die Entwicklung der linksextremistischen Gewaltdelikte den gleichen<br />

Zyklen und Schwankungen unterliegt wie die Entwicklung der linksextremistischen Straftaten insgesamt.<br />

2.10.4.3 Der Gewaltdiskurs in der linksautonomen Szene<br />

Seit den achtziger Jahren sind periodisch wiederkehrende "Militanzdebatten" mit ausführlichen Erörterungen<br />

zum Wie, Wann und Wogegen des Gewalteinsatzes ein wichtiges Merkmal insbesondere autonomer<br />

Gruppen in der linken Szene. Zu den Elementen eines Grundkonsenses gehören Zielgenauigkeit,<br />

Ausschluss der Gefährdung Unbeteiligter und die Vermittelbarkeit gegenüber dem Szeneumfeld. Als<br />

Leitbild gilt der "verantwortliche Täter". Gewalt wird instrumentell eingesetzt und nur als strategisches<br />

Mittel im Rahmen der politischen Zielsetzung akzeptiert und legitimiert. Abweichungen von diesem<br />

Grundkonsens unterliegen in der Regel harscher Kritik. 934 Im Gewalthandeln der neunziger Jahre steht<br />

bei autonomen Gruppen "Gewalt gegen Sachen" eindeutig im Vordergrund. Trotz zahlreicher Beispiele<br />

der Inkaufnahme schwerer oder tödlicher Verletzungen bei der physischen Konfrontation mit Polizeibeamten<br />

oder mit Rechtsextremisten ist das Vorgehen mit gezielter Tötungsabsicht für autonome Gruppen<br />

nicht charakteristisch. So stehen beispielsweise Brandanschläge meist unter dem Vorbehalt, dass "hinsichtlich<br />

des ausgewählten Objektes eine Gefährdung für Personen auch wirklich ausgeschlossen ist" 935 .<br />

Politischer Mord und gezielte personenbezogene Anschläge werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt überwiegend<br />

abgelehnt. Allerdings ragen innerhalb dieses Diskussionsstranges die Verlautbarungen einiger<br />

konspirativ agierender Kleingruppen heraus, die im Unterschied zur Mehrheit autonomer Gruppen in jüngerer<br />

Zeit personenbezogene Anschläge zumindest theoretisch in Betracht ziehen. So hieß es im Selbstbezichtigungsschreiben<br />

einer militanten Gruppe zu einem Brandanschlag auf eine Berliner Bundesgrenzschutz-Wache<br />

am 09.06.1999, es müsse einem militanten Antirassismus darum gehen, den BGS "materiell<br />

und personell" zu attackieren 936 ; eine gezielte Körperverletzung von "in der Öffentlichkeit unbekannten<br />

Technokraten" könne politisch sinnvoll sein. 937 Auch hinsichtlich der gewaltsamen Konfrontationen<br />

mit Rechtsextremisten bei "Antifa"-Aktionen wird die Dosierung der Gewalt gegen "Faschos" ausführlich<br />

thematisiert. Von einigen wird die Option eines "antifaschistischen Attentats" grundsätzlich akzeptiert,<br />

aber in ihrer Anwendung vom geeigneten Zeitpunkt abhängig gemacht; andere lehnen gezielte Attentate<br />

934 Siehe MLETZKO, M., 1999, S. 92-101.<br />

935 radikal 156, 1999, S. 156.<br />

936 INTERIM, 1999, S. 14.<br />

937 INTERIM vom 27.01.2000, S. 18.

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