Innere Sicherheit
Innere Sicherheit
Innere Sicherheit
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
PSB Seite 269<br />
da sich Tatverdächtige über ihre Motive nicht äußern müssen bzw. häufig keine Täter ermittelt werden<br />
können. Ob und inwieweit ein Tatverdächtiger als fremdenfeindlich bzw. als rechtsextremistisch charakterisiert<br />
wird, liegt daher zum Teil im Ermessen des ermittelnden Beamten. Je nach Perspektive, unter der<br />
eine Straftat wahrgenommen wird, können gleiche Fälle daher jeweils unterschiedlich kategorisiert werden.<br />
Durch präzisere Definitionen und verfahrensrechtliche Regelungen, wie sie probeweise am<br />
01.01.2001 in Kraft getreten sind, dürfte die Arbeit der Polizeibeamten jedoch handhabbarer und möglicherweise<br />
auch erleichtert werden.<br />
Antisemitische Straftaten werden seit dem 1. Juli 1993 ebenfalls von der Polizei differenziert in einem<br />
eigenen Meldedienst erfasst; es gibt jedoch aufgrund einer fehlenden Legaldefinition keine Richtlinien,<br />
was als antisemitische Straftat zu gelten hat. Die Zuordnung erfolgt, wenn überhaupt, nach Tätermotiven<br />
und angegriffenen Personen oder Objekten.<br />
Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Richtlinien bewerten und erfassen die Polizeibeamten eine<br />
Straftat als fremdenfeindlich, rechtsextremistisch oder antisemitisch und melden sie über die Landeskriminalämter<br />
an das Bundeskriminalamt, welches darauf hin - in Absprache mit den Ländern - die bundesweite<br />
Staatsschutzstatistik erstellt. Gibt es im Laufe der weiteren Ermittlungen vor Ort neue Erkenntnisse,<br />
so werden diese ebenfalls in diese Datei aufgenommen. Die Jahreslageberichte geben den Kenntnisstand<br />
zum Jahresende wieder. Wie die von Bundeskriminalamt und Landeskriminalämtern entwickelten Definitionen<br />
also vor Ort tatsächlich gehandhabt werden, ist offen. Das Anzeigeverhalten von Opfern und<br />
Zeugen, das persönliche Problembewusstsein der Polizeibeamten, das Problembewusstsein in den Ländern,<br />
die Meldedisziplin der Polizeidienststellen etc. und - wie berichtet wird - auch Opportunitätsgesichtspunkte,<br />
bei denen eine Rolle spielt, dass man den Ruf seiner Stadt oder seines Landes nicht schädigen<br />
will, spielen hier eine wichtige Rolle.<br />
Um statistische Doppelzählungen zu vermeiden und eine eindeutige Zuordnung zu gewährleisten, werden<br />
in der Praxis Taten, die beispielsweise neben einem fremdenfeindlichen auch noch einen rechtsextremistischen<br />
oder antisemitischen Hintergrund haben, als fremdenfeindliche Straftaten gezählt. Unter antisemitische<br />
und rechtsextremistische Straftaten fallen also nur solche, die keinen fremdenfeindlichen<br />
Hintergrund haben. Es bleibt freilich unklar und auch zweifelhaft, ob diese abstrakten Vorgaben, wie sie<br />
von Bundeskriminalamt und den Landeskriminalämtern entwickelt wurden, auch im Alltag vor Ort so<br />
Anwendung finden. Spezielle Untersuchungen hierzu oder eine Datenqualitätskontrolle sind nicht bekannt.<br />
Bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamtes am 22.11.2000 trug der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes<br />
vor: "Es gibt z. B. Länderpolizeien, die in großzügiger Weise fast alle Delikte aus dem<br />
hier in Rede stehenden Phänomenbereich unter das Rubrum Rechtsextremismus stellen, und andere, die<br />
eine eher enge Auslegung dieses Begriffs pflegen und in umgekehrter Weise spitz differenzieren, ob ein<br />
Delikt rechtsextremistisch, antisemitisch oder ‚nur‘ fremdenfeindlich motiviert war. (...)Offenbar ist es<br />
gängige Praxis, grundsätzlich auf eine staatsschutzgemäße Erfassung zu verzichten, wenn die Ermittlungen<br />
zum subjektiven Tatbestand einer konkreten Einzelstraftat keine positiven Anhaltspunkte für das<br />
Vorliegen eines derartigen Motivs ergeben. Kriminalisten und Strafjuristen wissen jedoch, dass Tatverdächtige<br />
zu ihren Motiven häufig keine oder nur unglaubhafte Angaben machen. Eine Erfassung unterbleibt<br />
offenbar oft selbst dann, wenn Tatverdächtige sich zu ihren Motiven zwar ausschweigen, aber z. B.<br />
unzweifelhaft Cliquen von Neonazis oder Skinheads angehören oder wegen fremdenfeindlicher Übergriffe<br />
längst amtsbekannt sind und der objektive Tatbefund sowie der Charakter der Straftat zwanglos zu<br />
diesem personalen Hintergrund passen. " 873<br />
873 FALK, B., 2000, S. 4.