Innere Sicherheit
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PSB Seite 305<br />
Rassismus wiederbelebt sind und beispielsweise auf den Hassseiten im Internet rund um die Welt<br />
propagiert werden. Hier ist die wehrhafte Demokratie gefordert, durch entsprechende Sanktionen die<br />
Prinzipien zu verdeutlichen, die das Zusammenleben bestimmen. Dies beginnt damit, dass die Polizei<br />
überall dort Präsenz zeigt, wo politische Schläger territoriale Macht aufzubauen versuchen und Angst<br />
und Schrecken bei Fremden und Andersdenkenden verbreiten. Ebenso muss die Polizei die Eskalationsspirale<br />
zwischen "rechten" und "linken" Schlägern unterbrechen. Bei der justiziellen Bewertung<br />
von Hasstaten wie Körperverletzung und Landfriedensbruch kommt es darauf an, die rassistische<br />
Motivation bei der Strafzumessung angemessen zu berücksichtigen.<br />
6. Alle Ideen, die das Individuum als Teil eines größeren Ganzen begreifen und dem einzelnen Lebenslauf<br />
einen Sinn zuweisen, der aus der Mitwirkung an dem vorgestellten Schicksal der imaginierten<br />
Gemeinschaft erwächst, sind gerade für junge Leute faszinierend, deren Leben noch nicht in den<br />
Routinen des Alltags seine Aufgaben und Erfüllungen findet. Eben darum dürften die Erkenntnis,<br />
dass die Menschheit gegenwärtig zu einer Weltgesellschaft zusammenfindet und darum einer humanen<br />
und ökologischen Solidarität bedarf, und die Erfahrung, dass man an diesem Auftrag auch in<br />
Gemeinschaft mit anderen mitwirken kann, durchaus geeignet sein, nationalistischen und rassistischen<br />
Ideologien entgegenzuwirken.<br />
2.11 Zuwanderung und Kriminalität<br />
Schon die späten achtziger, vor allem aber die neunziger Jahre waren geprägt durch eine starke Zuwanderung<br />
nach Deutschland. Nach dem Wegfall des „Eisernen Vorhangs“ verließen viele Menschen ihr Land<br />
infolge von Bürgerkriegen oder Minoritätenverfolgung, aber auch zur Überwindung ihrer wirtschaftlichen<br />
Not z. B. in vom Umbruch geprägten ehemals „real-sozialistischen Staaten“. Die größten Gruppen dieser<br />
Zuwanderer bildeten Spätaussiedler, Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber. Die große<br />
Zuwanderungswelle in den Jahren zwischen 1988 und 1993 hat die Sensibilität der deutschen Bevölkerung<br />
im Hinblick auf eine möglicherweise gewachsene Bedrohung durch Kriminalität geschärft. Diese<br />
sozialpsychologisch erklärliche Haltung gegenüber Fremden haben schon ELIAS und SCOTSON beschrieben.<br />
951 Die Tendenz, Nichteinheimischen eher eine Beteiligung an Straftaten zuzuschreiben, macht es<br />
erforderlich, den tatsächlichen Einfluss von Zuwanderung auf Kriminalität zu bestimmen. Im folgenden<br />
wird dies getrennt für Zuwanderer ohne (2.11.1) und mit deutschem Pass (2.11.2) unternommen. Dieser<br />
Unterschied hat erhebliche aufenthaltsrechtliche Konsequenzen; dieser Status bestimmt die Lebensperspektive,<br />
mit der Zuwanderer ihre Existenz in Deutschland planen. Ihre Bemühungen um Integration sind<br />
beeinflusst von der Unumkehrbarkeit des Migrationsentschlusses; für Aussiedler ist sie in den meisten<br />
Fällen gegeben.<br />
Von besonderer Bedeutung ist die Zeitperspektive für die jungen Zuwanderer. Sie entwickeln ihre Identität<br />
zwischen zwei Kulturen, derjenigen des Herkunftslandes der Eltern und der deutschen. Ihre Identitätsentwicklung<br />
wird bestimmt durch Orientierungen und Verhaltensanforderungen aus beiden Kulturen.<br />
Erlebte Diskriminierungen und Vorurteile können zwar die Identifikation mit der Gesellschaft, in der sie<br />
jetzt leben, erschweren; gleichwohl liegt ihre Zukunftsperspektive - allerdings eindeutiger für Aussiedler<br />
als für Ausländer - in Deutschland. Die Orientierung an der Herkunftskultur erhält entsprechend ihren<br />
Stellenwert. Diese Spannung kann einen mehr oder weniger starken inneren Kulturkonflikt 952 bewirken,<br />
der auch Einfluss auf das Verhalten nehmen kann.<br />
Die spezifische Lebenssituation der Zuwanderer muss also auch bei der Betrachtung von Kriminalität im<br />
Vordergrund stehen. Dass diese Perspektive sich sprachlich als Präferenz der Begrifflichkeit für Zuwanderer<br />
(gegenüber Aussiedler, Nicht-Deutsche, Ausländer oder Spätaussiedler) niederschlägt, trägt der<br />
951 Vgl. ELIAS, N. und J. L. SCOTSON, 1990.<br />
952 Vgl. unten unter 2.11.2.3