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Innere Sicherheit

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Seite 326<br />

zu den Integrationschancen junger Spätaussiedler 2.800 Schüler in 59 Schulen des Landes Nordrhein-<br />

Westfalen. Die auswertbaren Fragebögen erfassten rund 200 Schüler mit ausländischem Pass, rund 1.200<br />

junge Aussiedler und knapp 1.000 (sonstige) deutsche Schüler. 1024 Die jungen Aussiedler erwiesen sich<br />

bei den Fragen zur selbstberichteten Devianz und Kriminalität in allen Dimensionen (in der Regel sogar<br />

signifikant) geringer belastet als die jungen Deutschen, angefangen bei geringfügigen Verstößen, über<br />

Verkehrsdelikte und Eigentumsdelikte, bis hin zu Gewaltdelikten wie Bedrohung, Körperverletzung,<br />

Beteiligung an einer Schlägerei, Erpressung oder Widerstand gegen die Polizei. 1025 Auch beim Alkoholkonsum<br />

und dem Gebrauch illegaler Drogen schnitten die jungen Aussiedler günstiger ab als die einheimischen<br />

deutschen Schüler. 1026<br />

Die aus den neueren kriminalstatistischen Analysen und aus Schülerbefragungen gewonnenen Befunde<br />

zeichnen mithin ein insgesamt eher beruhigendes Bild (auch) der Kriminalitätslage. Sie stehen freilich auf<br />

den ersten Blick im offenkundigen und nicht leicht erklärlichen Widerspruch zur öffentlichen Meinung,<br />

zu früheren und andauernden Praxisberichten sowie zu den kriminalstatistischen Befunden, wie sie exemplarisch<br />

die auf Landkreise bezogene ursprüngliche Analyse des KFN gezeichnet hat. Im Extremfall wäre<br />

anzunehmen, dass die anfänglichen Besorgnisse in der Bevölkerung und in Fachkreisen sich lediglich auf<br />

Artefakte stützten. Indes erscheint ein vorsichtiger zweiter Blick auf die Datenlage angezeigt.<br />

Die Widersprüche könnten nur scheinbare sein und sich auflösen, sobald Daten und sonstige Erkenntnisse<br />

vorliegen, die weitere Differenzierungen erlauben. Bis zur völligen Klärung durch künftige Analysen<br />

aufgrund von amtlichen Statistiken und empirischen Forschungen ist folgendes zu bemerken: Bei Gesamterhebungen<br />

können sich relevante Unterschiede nach Alters- und Geschlechtsgruppen nivellieren.<br />

Bei Schülerbefragungen in allgemeinbildenden Schulen fallen diejenigen Probanden aus, die in einer<br />

Berufsausbildung stehen, und erst recht diejenigen, die keiner geregelten Berufsausbildung nachgehen<br />

oder sich der Beschulung entzogen haben. STROBL und KÜHNEL sprechen dieses Problem bei der Diskussion<br />

der Ergebnisse ihrer Studie explizit an: Zu den sozialen Tatsachen, die sie nicht eingehender untersuchen<br />

konnten, gehörten diejenigen Gruppen von jungen Aussiedlern, die sich auf öffentlichen Straßen und<br />

Plätzen aufhalten. Ohne Zweifel spielten sie eine große Rolle in der öffentlichen Diskussion um Delinquenz<br />

und Kriminalität, jedoch lasse sich die tatsächliche Belastung mit den vorhandenen Quellen nicht<br />

bestimmen. 1027 Auch die Zeitumstände und Bedingungen der Auswanderung aus der alten Heimat können<br />

Bedeutung haben.<br />

Interessant ist in dieser Hinsicht vor allem eine nach Altersgruppen differenzierte Analyse der Kriminologischen<br />

Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in<br />

Freiburg. Im Rahmen des dortigen Projekts einer das ganze Land Baden-Württemberg erfassenden Verlaufsstudie<br />

mehrerer Geburtskohorten konnten nach aufwändigen Identifizierungsmaßnahmen die jungen<br />

Spätaussiedler der Geburtsjahrgänge 1970, 1973, 1975 und 1978 für die polizeilichen Registrierungsjahrgänge<br />

1984 bis 1996 getrennt von den übrigen Tatverdächtigen erfasst werden. Dabei war es u. a. möglich,<br />

was sonst kaum zu realisieren ist, den Altersverlauf der Angehörigen jedes Geburtsjahrgangs und<br />

den zeitlichen Verlauf der polizeilichen Registrierung unabhängig voneinander zu berechnen. Das im<br />

Einzelnen detailliert belegte Ergebnis lässt sich wie folgt zusammenfassen: Während sich die Prävalenzraten,<br />

d. h. die auf die Personengruppen bezogenen Auffälligkeiten, der Aussiedler in der zweiten Hälfte<br />

der achtziger Jahre nur wenig von denjenigen der sonstigen Deutschen unterschieden, gab es in der ersten<br />

Hälfte der neunziger Jahre einen deutlichen Anstieg. Er ging überwiegend auf die seit 1991 zugezogenen<br />

1024<br />

Vgl. STROBL, R. und W. KÜHNEL, 2000, S. 72 ff. mit entsprechenden Details.<br />

1025<br />

Vgl. ebenda, S. 155 ff.<br />

1026<br />

Vgl. ebenda, S. 150 ff.<br />

1027<br />

Ebenda, S.191 f. Auch die Cliquenbildung und Cliquenbindung dürfte eine Rolle spielen, zumal sie zu einer Abschottung von<br />

informeller sozialer Kontrolle durch Erwachsene beiträgt und auch die Isolation gegenüber gleichaltrigen eingesessenen Deutschen<br />

verstärken kann.<br />

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